: Vom Keller ins Schaufenster
Bevor die D-Mark kam, waren Zigaretten – vor allem amerikanische wie solche der Sorte Lucky Strike – die Leitwährung in Deutschland. Tauschen hatte Hochkonjunktur. Auf Schwarzmärkten gab es alles – jedoch zu horrenden Preisen. Die Landbevölkerung versuchte, möglichst viele Äpfel und Kartoffeln an der staatlichen Aufsicht vorbei an die Städter zu verhökern, deren Lebensmittelkarten gerade einmal das Anrecht auf fünf Gramm Fett am Tag und ein Ei im Quartal sicherten.
In Hamburgs Umgebung sollen in den Nachkriegsjahren bis zu 40 Prozent der Ernte unter der Hand verkauft worden sein. Löhne und Gehälter blieben konstant bei monatlich 200 bis 450 Mark. Sie wurden weiter in Reichsmark ausgezahlt, allerdings gereinigt von Adolf-Hitler- Konterfeis.
Mit der Einführung der D-Mark wurde die Geldmenge 1948 dem Warenangebot angepaßt. Die neue Währung kam völlig überraschend: Zwei Tage vorher wurde der Bevölkerung mitgeteilt, daß jeder und jede am 20. Juni 40 Reichsmark in die gleiche Summe D-Mark umtauschen könnte und später noch einmal 20 D-Mark zum gleichen Kurs bekommen sollte.
Die restlichen Geldvermögen sollten später im Verhältnis 1 : 10 gewechselt werden. Tatsächlich wurde diese Regelung aber für das Gros der Ersparnisse nochmals geändert, so daß von 100 Reichsmark auf dem Sparkonto schließlich nur noch 6,50 D-Mark übrigblieben. Kleinsparer verloren fast ihr gesamtes Geld.
Die Immobilien- und Fabrikbesitzer dagegen kamen ungeschoren davon. So hatten es die Westalliierten gewollt. Die deutschen Berater, die für einen Vermögensausgleich eingetreten waren, konnten sich nicht durchsetzen. Ihre Ideen seien zu sozialistisch, hieß es.
Die Westalliierten wollten eigentlich eine Währung für ganz Deutschland schaffen. Doch die Regierung in Moskau führte drei Tage später eine eigene Mark ein, die zunächst aus alten, mit einem Kupon überklebten Scheinen bestand und deshalb als „Tapetenmark“ tituliert wurde. Sie sollte für ganz Berlin gelten.
Die Westalliierten erklärten dagegen ihre Sektoren zum D-Mark-Gebiet. Damit existierte die im Potsdamer Abkommen vereinbarte Wirtschafts- und Währungsunion nicht mehr, Deutschland war faktisch geteilt.
Derweil Westberlin zu einem Großteil über die Luftbrücke versorgt wurde, begann in Westdeutschland das „Wirtschaftswunder“. Doch zunächst schnellten die Preise in die Höhe, während die Löhne relativ konstant blieben, so daß im November 1948 sogar ein eintägiger Generalstreik ausgerufen wurde.
In Schwung kam die westdeutsche Wirtschaft erst Anfang der fünfziger Jahre. Durch den Koreakrieg konzentrierte sich die US-Industrie auf militärische Produkte – deutsche Unternehmen stießen in die so entstandenen Lücken auf dem Weltmarkt vor. Annette Jensen
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