: Turbulenzen für Riesen-Windpark
■ Kein Konzept und wenig Gegenliebe bei den BürgerInnen: Die Planung des größten Europäischen Windparks versumpft im ostfriesischen Watt vor Emden / Die Umweltverbände sind zerstritten
Kennen Sie Wybelsum? An der Nordsee bei Emden in Ostfriesland wird seit vier Jahren Europas größter Windpark geplant. Wenn nur die Leute nicht wären. Über 300 Anlieger haben Einspruch gegen das ambitionierte Projekt des Landes Niedersachsen erhoben.
Sie haben Angst vor dem Lärm und dem Schattenwurf der Windmühlen. Umweltverbände an der Küste sehen in dem Vorhaben eine Barriere gegen Zugvögel, außerdem könnten die über 100 Meter hohen Mühlengiganten Brut- und Rastvögel vertreiben. Die Emsmündung an der Nordsee ist eines der wichtigstens Zugvöglreservate Europas. „Wir waren bei der Planung eines so großen Projektes vielleicht nicht ganz routiniert“, sagt Stephan Wahala vom Bauaufsichtsamt der Stadt Emden und wirkt sichtlich mitgenommen.
Als vorrangig von der Landesregierung behandelt, sollten private Betreiber das Vorzeigeobjekt finanzieren. Bis zu 45 Mühlen mit je 1,5 Megawatt sollen Energie für die Region erquirrlen. Als Morgengabe legte das Umweltministerium ihren Ivestoren auf eigene Kosten die Umweltverträglichkeitprüfung (UVP) auf den Tisch. Darüber hinaus trat die vom Atommulti Preussag und dem Land Niedersachsen getragene Niedersächsische Energieagentur als Mitfinanzier auf.
Der Windpark wird bezahlt vom regionlen Energieversorgungsunternehmen EWE und der Windpark Wybeslumer Polder GmbH und Co. KG, einem Zusammenschluß ostfriesischer Privatleute. Gesamtvolumen etwa 190 Millionen Mark. Die gesamte Infrastuktur aber, Stromleitungen und Umspannwerk, finanziert die Energieagentur. Das ließ Mißtrauen aufkommen, das Land könnte bei der Bewertung von Naturschutzbelangen zugunsten der Industrie-Windanlage schummeln.
Chef der Niedersächsischen Energieagentur und gleichzeitiger Geschäftsführer der Windpark-Infrastrukturgesellschaft, ist Stefan Kohler, seines Zeichens energiepolitischer Sprecher des Umweltverbandes BUND. Von diesem Amt ist er zurück- und gleich aus dem BUND ausgetreten. Begründung: „Der BUND kann nicht einerseits den Austritt aus der Atomnergie fordern, gleichzeitig aber gegen Windkraft polemisieren.“
Schon einmal hatte es wegen Windkraft herben Krach im BUND gegen. Ausgerechnet der Bundesgeschäftsführer der Umweltorganisation, Onno Popinga, baute in seinem ostfriesischen Heimatort Dorum einen Windpark – in einem Vogelschutzgebiet von nationaler Bedeutung, meinten seine Gegner im BUND. Popinga trat von seinem BUND Posten zurück.
„Wir haben nichts gegen Windkraft“, sagt Uilke van der Meer, Leiter des BUND-Nordseehauses in Dornumersiel. „Aber die Küstenregion ist zugestellt mit Windkraftanlagen. Jede neue Anlage muß besonders auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden, wir hatten vom Umweltministerium eine mustergültige Standortprüfung erwartet.“ Tatsächlich unterschlägt die Umweltvrträglichkeitsprüfung ein international bedeutsames Vogelschutzgebiet in Rufweite des geplanten Wybelsumer Windparkes.
Die Landesregierung steht unter Druck. Sie fördert bis zum Jahr 2005 Windanlagen mit einer Leistung von etwa 900 Megawatt allein im Küstenbereich zwischen Emden und Wilhelmshaven. Das sind über 1.700 Windmühlen mit Höchstkapazität. Zur Zeit drehen sich nach Auskunft der EWE 608 Mühlen an der Küste mit einer Leistung von 275,2 Megawatt. In Planung befinden sich 200 bis 300 Mühlen mit einer Leistung von 100 bis 150 Megawatt. Dornumersiel, ein sensibles Feriengebiet, ist bereits mit Windmühlen „zugenagelt“. Weiter südlich, der holländischen Grenze zu, bescheinigt der neue Flächennutzungsplan der Gemeinde Krümmhörn, ein vernünftiger Ferienbetrieb sei auf Grund der Lämbelästigung durch Windkraftanlagen nicht mehr möglich .
Allein der Windpark Wybelsumer Polder wäre mit 45 Mühlen (ca. 70 Megawatt) eine steife Brise auf dem Windenergiemarkt. Allein, noch herrscht Flaute. „Wir haben auf Grund von Änderung des Baugesetzes bei der Planung des Wybelsumer Polders den Naturschutz und den Landschaftschutz nicht ausreichend berücksichtigt“, gibt Stephan Wahala, Leiter der Emder Bausaufsicht, seine persönliche Meinung wieder, liegt aber als Mitverantwortlicher im Genehmigungsverfahren haarscharf im Trend. Wann und wie der Windpark gemehmigt werden kann, ist erstmal bis nach der Sommerpause auf den Herbst verschoben.
Die größte Angst haben die Behörden vor den Gerichten. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, daß eine Windkraftanlage mindestens 900 Meter von einer Wohnbebauung entfernt sein muß. Gelte dieses Urteil auch in Ostfriesland, dann müßten an er Küste einige Anlagen abgerissen werden. Erwischt hat es bislang eine Mühle in der Samtgemeinde Esens. Schaden: Eine Millionen Mark. Thomas Schumacher
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