: Versöhnung auf dem Acker
Ein Forschungsprojekt in Brandenburg hat erwiesen, daß Landwirte ökonomische und ökologische Anforderungen unter einen Hut bringen können ■ Von Volker Wartmann
„Naturschutz und Landwirtschaft sind in weitem Maße miteinander vereinbar“, sagt Biologe Thomas Korbun, Koordinator des Projekts „Naturschutz in der offenen agrargenutzten Kulturlandschaft am Beispiel des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin“. „Das traditionelle Konzept der Trennung der Landschaft in reine Schutz- und reine Nutzflächen ist unter ökologischen Gesichtspunkten nur begrenzt sinnvoll. Naturschutzziele wie beispielsweise die Erhaltung der Artenvielfalt müssen auch auf Nutzflächen verfolgt werden.“
In dem interdisziplinären Projekt versuchten Wissenschaftler über einen Zeitraum von vier Jahren, „übertragbare Methoden zur Minderung des Konfliktes zwischen Landwirtschaft und Naturschutz“ zu erarbeiten, um „auf dieser Basis zu einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raumes beizutragen“. Das Projekt lief von 1994 bis 1997 und wurde vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 14 Millionen Mark unterstützt. Insgesamt waren an dem Verbundprojekt über 70 Wissenschaftler aus 22 Einrichtungen der Natur- und Agrarwissenschaften sowie der Sozioökonomie beteiligt. Die Forscher arbeiteten auf dem rund 60 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegenen, etwa 14.500 Hektar großen Untersuchungsraum eng mit 41 landwirtschaftlichen Betrieben zusammen.
„Ziel des Projektes war die Entwicklung naturschonender und gleichzeitig ökonomisch tragfähiger Formen der Landwirtschaft“, sagt Korbun. Im diversen Pilotprojekten suchten die Wissenschaftler nach praktikablen Wegen, wie landwirtschaftliche Produktionsweisen geändert werden können, um Naturschutzziele zu fördern. Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt war die Auslotung der ökonomischen Rahmenbedingungen und finanziellen Anreizsysteme, die die Bauern benötigen, um ökologische Verbesserungen durchzuführen.
So wurde beispielsweise die Effektivität schonender pflugloser Bodenbearbeitungsverfahren untersucht. Die konventionelle Bearbeitung des Bodens mit dem Pflug beeinträchtigt die Lebensbedingungen der Pflanzen und Tiere im Bereich der Pflugfurche. Vergleiche der beiden Mehoden führten zu dem Ergebnis, daß die bodenschonende pfluglose Methode nicht mit Ertragseinbußen verbunden ist. In einem weiteren Teilprojekt wurde die Nutzung von Satellitennavigationsystemen getestet, die dem Landwirt über einen Bordcomputer im Traktor auf den Meter genau seinen Standort anzeigen. Durch eine entsprechende Programmierung des Computers wird dem Landwirt die Annäherung an ökologisch besonders sensible Gebiete metergenau angezeigt. In diesen Bereichen kann der Landwirt dann beispielsweise auf die Düngung verzichten.
„Im Laufe der Zeit ist es uns gelungen, ein Vertrauensverhältnis zu den Landwirten aufzubauen“, sagt Korbun. „Beratung und Kommunikation sind der Schlüssel für mehr Naturschutz in der Landwirtschaft.“ Oft reiche schon mehr Wissen um ökologische Zusammenhänge auf seiten der Bauern, um naturverträglicher zu wirtschaften, ohne dabei finanzielle Einbußen zu erleiden, so Projektkoordinator Korbun. „Ein Beispiel: Wenn im Frühjahr die seltene Rotbauchunke zu ihren Laichgewässern marschiert, wird mit Kalkammonsalpeter gedüngt. Das verätzt die Haut der Tiere, so daß sie sterben. Eine Verschiebung des Düngezeitpunkts senkt den Ernteertrag nicht: Den Tieren ist geholfen, und die Landwirtschaft erleidet keinen Schaden.“
Entscheidender Faktor für mehr Naturschutz in der Landwirtschaft sind nach Angaben Korbuns vor allem finanzielle Anreize für die Bauern. In der Regel stamme die Hälfte der Einnahmen von Landwirten aus den Subventionstöpfen der EU. Bisher seien die EU-Zuschüsse noch an keinerlei ökologische Vorgaben gebunden. Korbun plädiert für die Einführung „einer Art TÜV für umweltverträgliche Landwirtschaft, bei der die zu schaffenden ökologischen Kriterien regional angepaßt werden und für die Betriebe ökonomisch tragfähig sind“. Die öffentlichen Mittel müßten stärker zur Honorierung ökologischer Leistungen der Landwirtschaft genutzt werden, so Korbun. Die bevorstehende EU-Osterweiterung biete eine Möglichkeit, diesen Aspekt stärker als bisher in der EU-Agrarpolitik zu verankern.
Die in der Schorfheide gewonnen Ergebnisse halten die Forscher für verallgemeinerbar. Das Biosphärenreservat Schorfheide- Chorin stelle einen repräsentativen Ausschnitt des nordostdeutschen Tieflandes dar, und auch die 41 Landwirtschaftsbetriebe könnten als repräsentativ für die neuen Bundesländer gelten.
Brandenburgs Landwirtschaftsminister Gunter Fritsch: „Mit den Ergebnissen des Forschungsprojektes ausgestattet, steigen die Chancen für moderne, umweltgerechte Produktionskonzepte.“
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