: „Das kotzt mich schon mal an“
Drei „Verbotene Liebe“-Darsteller über das gnadenlose Geschäft bei den Daily Soaps
Die wollen wir nicht!“ schrien vor kurzem die Fans der ARD-Soap „Verbotene Liebe“. Jetzt müssen Jessika (Andrea Suwa) und Alexander (Hakim Meziani) die Koffer packen. Wir sprachen mit drei ihrer Kollegen, die immer noch dabei sind: Daniel Wiemer (22) spielt seit Juni 97 den Aufreißer Dennis Krüger, Miriam Lahnstein (23) gibt schon seit drei Jahren die intrigante Tanja von Anstetten, und Christian Wunderlich (18) verkörpert ebenso lange den sehr chaotischen Frank Levinsky.
taz: Zwei eurer Kollegen müssen gehen, weil sie zu unbeliebt waren. Ihr dürft dabei bleiben. Seid ihr besser?
Miriam: Die hatten es aber auch schwer! Wenn ich so sehe, was manche meiner Kollegen für langweilige Geschichten spielen müssen, da bin ich echt froh, daß Tanja, die ich spiele, die ewig Böse ist! Was Andrea und Hakim da spielen mußten, zog sich einfach ewig und war null interessant. So was kommt beim Zuschauer nicht an.
Daniel: Ach Gott, meine Rolle beschränkt sich doch nur darauf, daß ich alle Frauen aus der Serie in die Kiste kriege! Ich weiß ja nicht was dieser Dennis für einer ist, aber entweder der hat 'nen Dauerständer, oder er wirft sich ständig diese neuen Sexpillen ein. Normal ist das jedenfalls nicht. Der Typ soll 16 sein! Als ich 16 war, bin ich froh gewesen, wenn sich wenigstens eine für mich interessiert hat.
Findet ihr eure Rollen zu einseitig?
Miriam: Na ja, unsere Figuren haben schon ein bißchen wenig Vita. Ich würde zum Beispiel schon mal gerne wissen, aus welcher Motivation heraus eine junge Frau wie Tanja so Scheiße sein kann. Aber die Storyliner wollen das wohl nicht so dringend wissen...
Daniel: Das ist aber genau das Problem: Wenn ich den Dennis gut spielen will, dann muß ich mir da selber was zusammenstricken. Ich muß mir da selbst die Tiefe in der Figur suchen
Miriam und Christian, wenn man schon über drei Jahre die gleiche Figur spielt, denkt man dann nicht so langsam ans Aussteigen?
Christian: Da hast du mich an einem wunden Punkt erwischt. Ich spiele in letzter Zeit öfter mit dem Gedanken. Ich hab' momentan einfach den Eindruck, daß die Storyliner bei Frank Levinsky nicht mehr wissen, wie's weitergeht...
Daniel: Mir ist jetzt Gott sei Dank eine Änderung in meiner Rolle versprochen worden. Immer nur Frauen aufreißen, das hältst du ja nicht aus! Aber ich sag dir mal was: Ich wohne alleine, ich muß was zu beißen haben ... Mensch, ich brauche die Kohle! So kann ich wenigstens nebenher ohne Lohn an kleinen Theatern spielen.
Du könntest doch eine andere Rolle annehmen ...
Daniel: Wenn du keine Ausbildung hast, ist das nicht so einfach.
Miriam: Meine Motivation, weshalb ich hier so lange dabei bin, ist ganz einfach: Man kann in so einer Daily Soap eine ganz tolle Ausbildung für die Arbeit mit dem Medium Fernsehen bekommen. Daily härtet dich ab!
Daniel: Der Regisseur sagt dir hier nichts. Proben kannst du höchstens mal fünf Minuten lang. Es ist einfach überhaupt keine Zeit da! Zeit ist für restlos gar nichts!
Christian: Ich hab' mit 15 hier angefangen. O Mann! Ich war noch so klein. Und alle anderen waren so toll, so erfahren ...
Miriam: (lacht) Und heute kriegt der Christian die allermeiste Fanpost von uns allen hier.
Wie ist das, wenn man haufenweise Briefe bekommt, und alle sagen, wie toll sie einen finden?
Daniel: Das mit der Fanpost ist schon seltsam. Ich kriege zum Beispiel fast nur Post von Männern zwischen 18 und 20.
Miriam: Mann, du spielst den Aufreißer! Klar, daß du damit bei den Männern ankommst. Den Christian finden alle nur süß. Dem schreiben nur die kleinen Mädels.
Christian: So was ist manchmal gar nicht mehr lustig. Als ich neulich in der Bravo sagte, daß ich eine Freundin habe, sind die Teenie- Fans völlig ausgerastet. Ich hab' echt Angst gekriegt. Eins von den Mädels hat sich da vor lauter Liebeskummer die Pulsadern aufgeschnitten. Die sind da echt extrem.
Daniel: Das war doch aber früher auch schon so: Als Elvis starb, hat meine Mutter drei Tage lang Rotz und Wasser geheult!
Christian: Mann, das war aber auch 'n Weltstar! Ich bin 18 und spiel' in 'ner deutschen Nachmittags-Soap!
Solche Erlebnisse zeigen doch aber auch, daß die Fans euch eure Rollen abkaufen. Bei Andrea und Hakim hat das ja überhaupt nicht hingehauen ...
Daniel: Die hatten auch gar keine Chance, besser zu werden.
Miriam: Sie hatten stellenweise einen total bescheuerten Text aufzusagen.
Dürft ihr an euren Texten etwas ändern?
Christian: Kommt auf den Regisseur an.
Daniel: Jesus, manchmal muß man das aber einfach ändern! Ich hab' doch keine Lust, so doofe Sätze zu sagen wie „Guck mal, der steile Zahn da drüben!“ oder „Der Ball geht ab wie Schmitts Katze“! Das ist doch keine Jugendsprache. So was sagt doch heute kein Schwein mehr! Und schließlich halte ich bei solchen Dialogen meine Fresse hin, nicht der Autor!
Miriam: (lacht) Stimmt. Ich mußte eine Zeitlang zum Beispiel ständig in Clarissas blöder Penthouse- Wohnung mit dem Aufzug sitzen. Und dann geht immer hastdunichtgesehn diese komische Aufzugstür auf, und irgend jemand steht voll in meiner Wohnung! Das ist so bescheuert! Wo gibt's denn so was? Und ich muß jedesmal rufen: „Oh, Clarissa! Was machst du denn hier!“ oder „Huh, Frank! Wie kommst du denn hier rein!“ Das ist so unmöglich!
Daniel: Ja, oder diese unsägliche Kneipe, in der sich immer alle treffen! Ist die in Köln oder in Düsseldorf? ...
Christian: Köln!
Miriam: Düsseldorf!
Daniel: (lacht) Egal. Jedenfalls fährt die Hälfte der Leute in der Serie jedesmal 40 Kilometer, nur um in dieser Dödelkneipe einen O-Saft zu drinken! Und keiner bei uns spricht kölschen Dialekt!
Das hört sich ja so an, als fändet ihr eure ganze Serie unlogisch.
Miriam: Mich kotzt das zum Teil aber schon an. Nicht nur die Sprache. Auch solche Unstimmigkeiten in meiner Figur: Manchmal schreiben die der Tanja Sachen hin, die würde sie so niemals tun! Die sagen dann: „Das ist Soap, über so was denken die Zuschauer nicht nach.“ Das ist doch aber gar nicht wahr!
Du hast ja mit der Tanja-Rolle mehrmals ziemlich lange pausiert. Wolltest du damals aussteigen?
Miriam: Nein. Aber man hat ja als Soap-Darsteller die Möglichkeit, sich zwischendurch beurlauben zu lassen. Das wird dann in die Drehbuchhandlung mitaufgenom
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men. Ich brauch' das einfach zwischendurch.
Christian: Miriam und ich werden jetzt eh beide für eine längere Pause aus dem Plot geschrieben. Ich muß so langsam was für mein Abi tun und werde außerdem am Theater den Romeo spielen ...
Werdet ihr in die Serie zurückkommen?
Christian: Nur wenn die Stories gut sind. Und meine ist im Moment leider nicht so toll.
Miriam: Mal gucken. Tanjas Abgang ist jedenfalls mal wieder spektakulär: Sie verliert alles und bringt auch noch jemanden um, bevor sie verschwindet.
Daniel: Es ist eben nicht leicht, immer die gleiche Figur zu spielen. Viele steigen irgendwann freiwillig aus, weil es ihnen reicht.
Und sagen sie dann: „Seht, ich hab' den Absprung geschafft, und ihr macht immer noch blöde Soaps.“?
Daniel: Die Wahrheit ist, daß die meisten anderswo überhaupt keine gescheiten Rollen kriegen und dann doch wieder Soap machen. Wenn sie irgendwann keine Knete mehr haben, kommen sie alle wieder!
Mögt ihr eure Rollen eigentlich?
Daniel: Was gibt es an Dennis schon groß zu mögen? „Hey, Tussi, ich schlepp dich jetzt ab, und dann vögel ich dich durch ... bla, bla.“ Eine riesige schauspielerische Herausforderung ist das ja nun nicht.
Miriam: Also ich mag die Tanja! Ich spiele gerne solche sarkastischen Szenen.
Christian: Der Frank ist eigentlich auch ganz okay. Aber der macht eben immer nur dasselbe. Der entwickelt sich nie! Dann nervt der Job eben echt: Alles wiederholt sich. Alles muß man übertreiben und tausendmal sagen.
Eine ganze Menge eurer Kollegen werden in den kommenden Folgen die „Verbotene Liebe“ verlassen. Was würdet ihr den neuen Kollegen raten, die dafür frisch dazukommen werden und beim Publikum ankommen wollen?
Miriam: Gar nichts!
Daniel: Die Wege des Soap- Publikums sind unergründlich. Und keiner kann sagen, wer ankommt und wer nicht.
Christian: Man muß der richtige Typ zur richtigen Zeit am richtigen Ort für die richtige Rolle sein ...
Miriam: Und da gehört weiß Gott auch eine gehörige Portion Glück dazu. Interview: Frank M. Ziegler
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