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Bürgerinitiativen unerwünscht

Wegen der Bundestagswahl dürfen Bürger-Inis nicht auf den Rathausmarkt. Der „Familienprotesttag“ mit der ÖDP aber schon  ■ Von Ulrike Winkelmann

Überraschend flatterte den OrganisatorInnen des „Tages der Bürgerinitiative“ Post vom Bezirksamt Mitte ins Haus: „Das Bezirksamt ist nach sehr intensiver Prüfung und sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, daß es sich um eine politische Veranstaltung handelt, die auf dem Rathausmarkt kurz vor der Wahl zum Deutschen Bundestag nicht genehmigungsfähig ist“, schrieb das Bauamt. Nicht genehmigungsfähig? Mehrfach war den InitiatorInnen zuvor von Amts wegen zugesichert worden, daß ihr Fest mit Infoständen und Kinderprogramm auf dem Rathausmarkt stattfinden dürfe, und zwar am 12. September 1998. Den Termin hatte der Bezirk sogar selbst vorgeschlagen.

Eine Woche vor der Wahl darf hingegen ein anderes Spektakel auf dem Rathausmarkt durchaus stattfinden: der „Zweite Familienprotesttag“. Das Spektrum der VeranstalterInnen reicht von KinderärztInnen über den Hausfrauenbund bis hin zu traditionellen Abtreibungsgegnern wie dem erzkatholischen Kirchenlager. Und auch die konservative Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) hat sich angekündigt. Hauptforderung des Familienprotesttages soll die Gleichstellung von Familien- und Erwerbsarbeit sein.

„Über die Bannmeile muß da noch geredet werden“, beeilt sich Staatsamtsleiter Reimer Rohde zu versichern. „Die sollen einmal versuchen, uns zu verbannen“, hält Familientag-Organisator Dieter Nolte dagegen – „dann gibt's einen Prozeß, und die müssen mir 50.000 Mark Strafe zahlen.“

Familien zu stärken und Kindergeld zu erhöhen ist jedenfalls auch eine politische Forderung der SPD. Ob dieser genehmigte Protesttag sich als „politikfreie“ Veranstaltung gestalten wird, bleibt folglich abzuwarten. Denn „politikfrei“ sollte der Rathausmarkt sechs Wochen vor einer Bundestagswahl sein. So sieht es zumindest eine Vereinbarung vor, die Senats- und Bürgerschaftskanzlei bemühten, als sie das Fest der Bürgerinis untersagten. Zumal der „Zungenschlag“ des Veranstaltungskonzepts derjenige der Initiative „Mehr Demokratie“ sei, sagt der Direktor der Bürgerschaftskanzlei, Eckhart Reinert. Und „Mehr Demokratie“ will schließlich am Tag der Bundestagswahl auch über den Volksentscheid abstimmen lassen.

Hamburgs Bürgerinitiativen wollen das endgültige Verbot ihres Festes nicht hinnehmen. Ein von 59 Initiativen und Gruppen unterzeichnetes Protestschreiben wurde deshalb Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) überreicht. Schützenhilfe bekommen sie dabei von der GAL. „Die Vereinbarung gilt für die Parteien“, sagt GAL-Fraktionschefin Antje Möller. „Es handelt sich dabei um eine Selbstbeschränkung im Wahlkampf.“ Die Grünen fordern Runde ebenfalls auf, er möge das Fest auf dem Rathausmarkt im September doch noch genehmigen.

Runde selbst hatte sich vergangene Woche schon einmal grundsätzlich zur Nutzung geäußert. Schon weil er Bundeswehrgelöbnisse auf dem Rathausmarkt untersagt habe, wolle er keiner gesellschaftlichen Interessensgruppe dieses Recht einräumen.

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