: „Das macht die Hools glücklich“
■ Rüdiger Bredthauer sitzt im Verwaltungsrat des Fanprojekts Hamburg. Er arbeitet bei der Hamburger Polizei als Spezialist für militante Gruppen
taz: Gut zwei Dutzend Fanbetreuer sind in Frankreich vor Ort. Welche Aufgabe haben sie?
Rüdiger Bretthauer:Die Betreuer sind eine Anlaufstelle für Fans und Polizei und sollen in kritischen Situationen vermitteln. Sie verstehen sich primär als Sachwalter der Faninteresen.
Schlagende Hools einbezogen?
Ohne ihre Randale gäbe es wohl keine Fanprojekte. Die Bedeutung und der Erfolg ihrer Arbeit läßt sich nicht an der Verhinderung von Hooligan-Fanaltaten messen. Bei Krawallen scheinen die Betreuer zunächst ganz hilflos auszusehen. Aber, wir sollten die Perspektiven nicht verkehren: Was 1.000 Polizisten nicht schaffen, kann man nicht von Sozialpädagogen erwarten. Sie machen stille Begleitarbeit – wirkungsvoll und unverzichtbar.
Daß Hools neonazistische Sprüche grölten und sich mittels Handys koordinierten, haben die Fanbetreuer nicht mitbekommen?
Doch, aber sie haben keine Polizeiaufgaben. Es gab Grupen, die riefen: „Deutschland den Deutschen“. Es gab Fans, die ein Handy benutzten. Beides reicht doch wohl nicht aus, Menschen präventiv von der Straße weg festzunehmen. Am Sonntag hat sich in Lens wohl folgendes zugetragen: Deutsche Hools haben zunächst versucht, einen Ossi-Mob gegen einen Wessi- Mob zusammenzubringen. Das hat nicht geklappt. Gegen Mittag haben Hamburger Fans in einem Bahnhofscafé einen Stuhl gegen Polizisten geschmissen. Und dann kamen etwa 250 Fans wie auf Kommando auf die Straße und versuchten, Richtung Stadion durchzukommen. Die Polizei hat ja auch reagiert, sie hat im Laufe des Tages 96 einschlägig bekannte Leute festgenommen.
Konnte denn niemand die Tat verhindern?
Wenn man bereit wäre, vorsorglich alle Menschen festzunehmen, weil sie als potentiell auffällige Fußballfans bei Behörden registriert worden sind, ließe sich vielleicht ein einzelnes Ereignis verhindern. Das wäre allerdings kaum rechtsstaatlich. Randale hat mehr Ursachen als bestimmbare Akteure. Man muß solche Ereignisse erschweren. Das haben die französischen Kollegen getan.
Sollte die Vogts-Elf heim?
Das wäre vielleicht politisch korrekt, aber wirkungslos. Man kann Hools nicht dadurch domestizieren, daß der Bundestrainer „Du, du“ macht. Hool wird man nicht, weil man die Zuwendung der Spieler erhofft. Lens ist aus Hooligan-Perspektive gut gelaufen, weil alle darüber berichten. Das macht die Hool-Seele glücklich. Interview: Annette Rogalla
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