: „Türken nicht gewalttätiger“
■ Debatte über Gewalt an türkischen Frauen im Oldenburger Frauenhaus
„Gewalt gegen Frauen“ ist das Thema einer Film- und Inforeihe, die das Autonome Frauenhaus in Oldenburg jetzt zu seinem 20jährigen Bestehen veranstaltet. Dazu haben die Oldenburger eine prominente Frau eingeladen: Karin Ronge arbeitet in Istanbul im Projekt „Women für Women's Human Right“ (WWHR), das sich für die Rechte von Frauen einsetzt. Die Sozialpädagogin hat vorher im Autonomen Frauenhaus Berlin mit türkischen Frauen gearbeitet, die Gewalt in der Familie erlebt haben. Wir sprachen mit ihr über die Probleme von Frauen in der Türkei und in Deutschland.
taz: Sind türkische Männer gewalttätiger als andere?
Karin Ronge, Sozialpädagogin: Türkische Männer sind nicht gewalttätiger als deutsche Männer, brasilianische oder andere Nationalitäten. Das hat weder etwas mit Religion, noch mit Armut oder Reichtum zu tun. In der Türkei geht dieses Phänomen durch alle Schichten, alle Bildungsgrade und Religionszugehörigkeiten – wie in Deutschland auch.
Also ist alles gar nicht so schlimm mit der Rolle der Frau im Islam?
Die Frau wird sicher in einigen strengen muslimischen Ländern vom Mann unterdrückt. Aber die Türkei ist in diesem Sinne kein religiöses Land. Staat und Religion sind strikt getrennt. Dort ist aber einfach der Familienzusammenhalt stärker und dadurch auch die Rolle der Männer. All das hat aber keinen religiösen, sondern einen kulturellen Hintergrund. Außerdem ist zu sagen: Die Türkei ist bei ihrer Gesetzgebung zu Gewalt gegen Frauen in vielem schon weiter als wir.
Inwiefern?
In Deutschland muß die Frau den Mann anzeigen. Aber wenn sie die Anzeige wieder zurückzieht, passiert nichts. In der Türkei entscheidet dagegen die Schwere der Mißhandlungen, ob sich der Staatsanwalt einschaltet oder nicht. Die Frauen haben auch seit neuestem das Recht, daß der Mann sich vom Wohnumfeld der Frauen fernhalten muß.
Also müßte sich Deutschland von der Türkei einiges abgucken, weil alles so gut läuft?
Eigentlich schon. Aber in der Türkei sind 70 Prozent der Bevölkerung sehr arm. Sie verfügen über eine schlechte Schulbildung. Viele Frauen wissen deshalb über ihre Rechte nicht Bescheid. Da helfen auch tolle Gesetze nichts. Aber wir versuchen das mit Informationskampagnen zu ändern.
In Deutschland helfen Frauenhäusern den von Gewalt betroffenen Frauen. In Oldenburg sind 30 Prozent der aufgenommenen Frauen türkischer Herkunft. Was haben diese Frauen für Probleme?
Sie werden oft in der Isolation gehalten und können sich kaum eigene Kontakte aufbauen. Doch das größte Problem ist für sie das deutsche Ausländergesetz: Das läßt ihnen nur die Wahl, beim Mißhandler zu bleiben oder in die Illegalität zu gehen. Sie erhalten laut Gesetz nämlich meist nur ein eigenes Aufenthaltsrecht, wenn die Ehe mindestens vier Jahre in Deutschland hält. Die autonomen Frauenhäuser fordern deshalb seit langem ein ehegattenunabhängiges Aufenthaltsrecht für Frauen, wenn Gewalttätigkeiten bekannt werden.
Fragen: Katja Ubben
Das Autonome Frauenhaus zeigt am Dienstag, 7. Juli um 19.30 Uhr den Film „Töchter zweier Welten“ zum Thema. Ort: Sonnenstr. 50.
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