Nach monatelangen Verhandlungen zwischen Europaparlament und Ministerrat wurde gestern der Kompromiß gefunden: Die Abgaswerte für Neuwagen werden ab 2000 weiter verschärft. Die Ölmultis müssen jetzt saubereren Sprit anbieten. Zustande kam d

Nach monatelangen Verhandlungen zwischen Europaparlament und Ministerrat wurde gestern der Kompromiß gefunden: Die Abgaswerte für Neuwagen werden ab 2000 weiter verschärft. Die Ölmultis müssen jetzt saubereren Sprit anbieten. Zustande kam dies nur durch die unerwartete Zusammenarbeit von Autoindustrie und Umweltschützern

Eine seltene Koalition

Die drei Europaabgeordneten wirkten etwas geschafft. Monatelang hatten der deutsche Sozialdemokrat Bernd Lange, die finnische Grüne Heidi Hautala und der britische Labourabgeordnete Ken Collins mit Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten um schärfere Vorschriften für Autoabgase gestritten. „Wir haben das beste herausgeholt“, meinte Bernd Lange gestern in Brüssel, „aber in einigen Punkten mußten wir dann doch nachgeben.“

Schon im Februar hatte sich das Europaparlament auf strengere Abgaswerte für Autos und auf neue Normen für Benzin und Diesel verständigt. Doch dem Ministerrat, in dem die 15 EU-Regierungen vertreten sind, gingen die Vorstellungen der Parlamentarier zu weit. Im Schlichtungsverfahren einigten sich beide Seiten nun auf einen Kompromiß, der von den Ölfirmen überraschend freundlich aufgenommen und von den Umweltverbänden als zu lasch kritisiert wird.

So müssen die Ölkonzerne ab dem Jahr 2000 beispielsweise den Schwefelgehalt in Benzin und Diesel von derzeit 500 auf 120 parts per million (ppm) senken, ab 2005 sogar auf 50 ppm. Allein dadurch wird sich der Ausstoß an umweltschädlichen Stickoxiden um ein Viertel verringern, an Kohlenwasserstoffen sogar um mehr als ein Drittel. Doch die vom Europaparlament geforderte weitere Absenkung auf 30 ppm blieb auf der Strecke.

Dabei wäre sie technisch längst möglich, wie die geltenden Vorschriften in den USA, in Japan und selbst in Schweden zeigen. Doch eine Reihe von EU-Regierungen, vor allem aus dem Süden, wollte den Ölkonzernen nicht mehr zumuten. Die nötigen Investitionen, hatten die Lobbyisten gejammert, würden europaweit 40 bis 60 Milliarden Mark erfordern. Zwar haben unabhängige Experten vorgerechnet, daß die Zahlen weit übertrieben sind, doch die Umweltminister der Mitgliedsländer haben sich offensichtlich beeindrucken lassen.

Daß es trotzdem zu den relativ strengen Grenzwerten kam, ist vor allem den Lobbyisten der Autoindustrie zu verdanken, die sich mit den Lobbyisten der Ölkonzerne schwer in die Haare kamen. Die Fahrzeughersteller stehen unter dem Druck der Parlamente und der Kundschaft, die umweltgerechtere Autos wünschen. „Doch die Entwicklung besserer Motoren ist weitgehend ausgereizt“, meint Bernd Lange, eine entscheidende Reduzierung der Schadstoffe sei nur noch über niedrigeren Schwefelgehalt im Kraftstoff zu erreichen. Das hat zudem den Vorteil, daß auch Altautos weniger Gifte ausstoßen.

Die Ölkonzerne, die bis zuletzt den Zusammenbruch ganzer Industrieregionen an die Wand malten, wenn die neuen Normen beschlossen würden, gaben sich gestern erstaunlich gelassen. Sie hatten sich offensichtlich längst darauf eingestellt, daß das EU-Gesetz nicht mehr aufzuhalten war. Noch im Februar, vor der Abstimmung im Europaparlament, appellierten sie an die schlechten Manieren der Abgeordneten. Vor allem die französischen Parlamentarier wurden angehalten, mit Rücksicht auf die heimischen Staatskonzerne der Abstimmung fernzubleiben, damit es zu keinem Beschluß kommen könne.

Nachdem diese Strategie gescheitert war, konzentrierten sich die Öllobbyisten auf die nationalen Regierungen, um wenigstens die Übergangsfristen zu strecken. Nach Ansicht der Umweltverbände waren sie damit zumindest teilweise erfolgreich. Die für 2005 vorgesehenen Normen für Schwefel, Benzol und Aromate in Diesel und Benzin seien heute schon machbar. Das bestätigte auch Ken Collins, Vorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament. Doch machbar bedeute eben nicht, daß sie auch politisch durchsetzbar gewesen seien.

Die neuen Spritnormen sind nur ein Teil des Gesamtpaketes, mit dem die Luft vor allem in den Städten verbessert werden soll. Auch die Abgasgrenzwerte für Neuwagen werden ab 2000 deutlich verschärft, was durch die Vorschriften für Benzin und Diesel allerdings erheblich erleichtert wird. Außerdem müssen die Hersteller sicherstellen, daß die Autos nicht nur beim Verkaufstermin abgasarm laufen.

Ab 2000 muß deshalb jeder Neuwagen mit einem elektronischen Analysegerät ausgestattet sein, das dem Fahrer anzeigt, wenn die Abgaswerte überschritten werden. Denn die Leistung der Katalysatoren läßt mit zunehmendem Alter erheblich nach. Mindestens 80.000 Kilometer, so die neue Vorschrift, muß ein Katalysator mit ausreichender Leistung durchhalten, ab 2005 müssen die Hersteller sogar 100.000 Kilometer garantieren. Vor allem die französische Regierung hatte sich lange gegen diese Regelung gesträubt. „Die wollten strenge Tests für Neuwagen“, sagte Lange, aber die Autofirmen sollten danach aus der Verantwortung sein: „Das war ein zäher Kampf.“

Dieser Kampf wäre vermutlich noch zäher geworden, wenn die britische Regierung nicht behindert gewesen wäre. London hatte bis gestern die EU-Präsidentschaft, und in dieser Funktion muß ein Land die eigenen Interessen zurückstellen und sich auf das Vermitteln von Kompromissen konzentrieren.

BP soll in London mächtig Druck gegen die neuen Vorschriften gemacht haben, aber der britische Umweltminister konnte den Druck nicht wie üblich in Brüssel weitergeben. „Der hat sich erfreulich korrekt verhalten“, lobte Bernd Lange. Alois Berger, Brüssel