piwik no script img

Juden und Nicht-Juden

■ „50 Jahre Israel“: Zum Jubiläum macht das Metropolis-Kino zwei Arbeiten des Kameramanns Helmar Lerski zugänglich, die propagandistisch mißbraucht wurden

„Für mich wird es nie wieder dunkel sein.“ – der 15jährige Benjamin hat sich eingelebt in dem zionistischen Kinderdorf „Ben Shemen“. Endlich hat er die grauenvollen Erinnerungen an seine Haftzeit im KZ Auschwitz und die psychischen Schäden überwunden. Als einziger Überlebender seiner Familie wohnt er jetzt mit anderen Kindern und Jugendlichen unter der Obhut der Zionisten – „Ein neues Leben liegt vor ihm.“

Die amerikanische Version des 1947 von der jüdischen Frauenvereinigung Hadassah in Auftrag gegebene Dokumentarfilms Adamah – Tomorrow Is A Wonderful Day endet sehr pathetisch. Eigentlich ist das schon zu viel Pathos, das da dick aufgetragen wird. Der vor allem als Fotograf und Stummfilmkameramann – etwa in Fritz Langs Metropolis oder in Paul Lenis Wachsfigurenkabinett – berühmt gewordene Helmar Lerski konnte sich nicht gegen die propagandistische Ausschlachtung seines Films wehren. So kann man auch nicht mehr von Originalfassung sprechen – der ganze Film ist ohne Einverständis des Filmemachers geschnitten und gekürzt worden. Für die Neufassung wurde ein einnehmender Radiosprecher engagiert, dessen Stimme den Zuschauer bedeutungsvoll durch den Film geleitet. Lerski übte öffentlich Kritik an der stark zionistisch geprägten neuen Version seines Films – und verließ Palästina zwei Monate vor der Staatsgründung. Im Rahmen der Reihe „50 Jahre Israel“ ermöglicht das Metropolis im Anschluß an den Film einen Vergleich mit dem zufällig erhaltengebliebenen, knapp fünfminütigen Ende des Originals. Es darf davon ausgegangen werden, daß sich Helmar Lerski in der Originalfassung nicht ganz so feurig für den Zionismus ereifert.

Aus diesem Grund ist auch sein erster, von 1933 bis 35 entstandener Semi-Dokumentarfilm Avodah bei der World Zionist Organization (WZ0) überhaupt nicht gut angekommen. Avodah – auf deutsch „Arbeit“ – berichtet über den Aufbau der jüdischen Ökonomie und Landwirtschaft. Bereits 1935 wurde er in Wien, Prag und Budapest gezeigt und lief auf der Biennale in Venedig. Die WZO behinderte die Verbreitung des Films, weil Lerski Palästinenser nicht als Feinde, sondern freundschaftlich gesinnt darstellt. Schon während seiner Arbeit als Fotograf erforschte er die unterschiedliche Herkunft der Juden in Palästina entgegen der zionistischen Auffassung. Die unterscheidet nämlich nur zwischen Juden und Nicht-Juden.

Isabel Gentsch

Mo, 6. Juni, 21.15 Uhr, Metropolis. Einführung: Thomas Tode

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen