: Jugendliche verschlampen die letzte Schulwoche
■ 500 SchülerInnen aus der ganzen Stadt können fünf Tage lang ihrer Kreativität freien Raum lassen
Agnes baut eine Halfpipe. Aus Ton und ganz klein. Die Skateboardbahn klebt sie wie ein Relief auf ihr Säulenteil. Die 16jährige Realschülerin aus Steglitz findet es klasse, endlich einmal an einem großen Projekt mitzuarbeiten. Etwas, das es an ihrer Schule nicht gibt. Mit einer Handvoll anderer SchülerInnen modelliert sie eine fast zwei Meter hohe Säule. Für diese Aufgabe reicht die Motivation auch noch eine Woche vor den großen Ferien, in der normalerweise in den Schulen fast nichts mehr läuft.
Gerade deshalb haben die Organisatoren von „Kunst-Werkstatt-Experiment“ diesen Termin gewählt. Seit elf Jahren bieten sie für Neunt- und ZehntkläßlerInnen aller Berliner Schulen in der letzten Woche vor den Ferien künstlerische Werkstätten an. 500 SchülerInnen nehmen in diesem Jahr teil. Sie zeichnen und schneidern, erstellen Reliefs und Fassaden, tanzen und spielen Theater, drehen Videofilme und machen eine Zeitung.
„Stadt“ heißt das Motto der diesjährigen Aktion. Die jungen Leute sollten sich mit allen Aspekten einer Stadt auseinandersetzen, erläutert Lutz Lienke. Der Leiter der Jugendkunstschule Atrium in Reinickendorf, wo die meisten Werkstätten eingerichtet sind, ist seit 1988 dabei. Inzwischen ist das Projekt so etabliert, daß es in der Hauptsache vom Senatsprogramm „Jugend mit Zukunft“ mit 50.000 Mark finanziert wird. Davon werden auch die KünstlerInnen bezahlt, die die Kurse leiten.
Der Renner in diesem Jahr sind die „Stadtschlampen“. Unter Anleitung einer Modedesignerin schneidern zwölf Mädchen – Jungen haben sich nicht in diesen Kursus gewagt – Phantasie-Kleider. Die 16 Jahre alte Sabrina sitzt zum ersten Mal an einer Nähmaschine. Wenn die Naht nicht exakt wird – halb so schlimm. „Bei Schlampen muß ja nicht alles hundertprozentig stimmen“, sagt sie erleichtert. Ihr macht es Spaß, etwas Neues auszuprobieren. Gleichzeitig lernt sie SchülerInnen aus ganz Berlin kennen. Kennenlernen können sich in den Werkstätten in der Hauptsache Gymnasiasten, und zwar weibliche. Real- und Hauptschüler seien in ihrer Abschlußklasse um diese Zeit meist schon auf dem Absprung, erklärt Hans- Carl Weber, im Landesschulamt zuständig für das Projekt. „Jungen trauen sich in dem Alter weniger als Mädchen, sich auf etwas Fremdes einzulassen“, vermutet Lienke. Schade, die männliche Schlampe im zerrissenen Fummel wird im Katalog der Aktion nicht zu sehen sein. Jutta Wagemann
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