Polnisches Parlament weist Bundestag in die Schranken

■ Sejm verurteilt deutsche Resolution zur Vertriebenenpolitik als tendenziell „gefährlich“ und betont die Unantastbarkeit der Grenzen und des polnischen Eigentums

Warschau (taz) – Das polnische Parlament hat in scharfer Form eine Resolution des deutschen Bundestages zu den Vertriebenen zurückgewiesen. In der mit nur zwei Enthaltungen angenommenen Erklärung des Sejm heißt es, die Resolution des Bundestages sei „nicht dazu geeignet, die derzeitige gute Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland zu befördern“. In der Entschließung vom 29. Mai seien „Zweideutigkeiten“ enthalten, die die Bürger Polens nicht gleichgültig lassen könnten. Der Text des Bundestages enthalte „gefährliche Tendenzen“. Und wörtlich: „Die polnische Nation verfolgt aufmerksam die Verhandlungen mit der Europäischen Union. Unsere Teilnahme an der Union muß auch die Unantastbarkeit der polnischen Grenzen bedeuten, die von allen unseren Nachbarn bestätigt wurden, sowie die Unantastbarkeit der polnischen Eigentumsrechte an Immobilien.“ Ende Mai hatte die Bonner Regierungskoalition, eigentlich ohne direkten Anlaß, noch einmal bestätigt, daß sie die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg als völkerrechtswidrig betrachte. Der Bundestag hoffe, daß Polen und Tschechien nach ihrem Beitritt zur EU auch den Vertriebenen das Recht auf Niederlassungsfreiheit einräumten.

In Polen hatte diese Resolution eine Flut von Artikeln und Sondersendungen im Fernsehen ausgelöst. Zugleich wiesen jedoch Deutschlandexperten darauf hin, daß die Resolution eigentlich nichts Neues enthalte. Doch sie fällt in eine Zeit, in der das Vorgehen vieler Vertriebener bei vielen Polen neue Ängste wachsen läßt. Immer häufiger tauchen ehemalige Besitzer vor einem Häuschen in Schlesien oder im früheren Ostpreußen auf und drohen mit dem baldigen Rauswurf der polnischen Bewohner. Wenn Polen erst in der EU sei, würden diese ihr blaues Wunder erleben. Die Unsicherheit könnte den Polen genommen werden, wenn die Bundesregierung offen sagen würde, daß sie noch nie in den offiziellen Verhandlungen eine Eigentumsrückgabe für die Vertriebenen gefordert hat. Da sie dies aber mit Rücksicht auf das Wählerpotential der Vertriebenen nicht tut, nimmt sie eine spürbare Verschlechterung der deutsch-polnischen Beziehungen in Kauf. Die polnischen Abgeordneten formulieren das sehr deutlich: „Die Resolution des Deutschen Bundestages vom 29. Mai 1998 dient nicht der sich gut entwickelnden Zusammenarbeit Polens und Deutschlands.“

In Bonn bezeichnete der vertriebenenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk, die Entschließung des Sejm als unverständlich, da sie der Entschließung des Bundestages Aussagen unterstelle, die diese in keiner Weise enthalte. So stelle sie mit keinem Wort die deutsch-polnische Grenze in Frage. Gabriele Lesser