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Hungrige Indonesier sollen sich aus der Krise fasten

■ Indonesiens Präsident Habibie, der seine Macht bisher hauptsächlich auf islamische Gruppen stützt, läßt für ein Ende des Hungers fasten und schürt zugleich Ängste vor einer Islamisierung

Bangkok (taz) – Der Vorschlag ist ebenso fromm wie nützlich: Die Indonesier sollten künftig zu Ehren Gottes zweimal wöchentlich fasten, sagte der indonesische Präsident Bacharrudin Jusuf Habibie gestern in einer Fernsehansprache zu Beginn der Feierlichkeiten am Geburtstag des Propheten Mohammed. „Ich möchte in dieser Zeit der Krise an die Menschen appellieren“, sagte der Staatschef. „Wenn 150 Millionen Indonesier das tun, kann unser Land drei Millionen Tonnen Reis im Jahr sparen – genau soviel, wie wir importieren müssen.“

Angesichts der schweren Wirtschaftskrise im 200-Millionen-Einwohnerstaat Indonesien, in der nach neuesten Schätzungen bald 40 Prozent der Menschen unter die Armutsgrenze fallen werden, suchen immer mehr Indonesier Trost in der Religion und bei religiösen Organisationen. Erst am Sonntag hatten sich Hunderttausende muslimische Gläubige vor dem Stadion von Jakarta zum gemeinsamen Gebet für ein Ende von Hunger und Not versammelt. Zehntausende weinten, als Prediger Allah um Hilfe anflehten.

Aufgerufen zu dieser Istighosah genannten traditionellen Veranstaltung hatte die größte muslimische Organisation Indonesiens, die Gemeinschaft der Rechtsgelehrten (Nahdlatul Ulama – NU), die nach eigenen Angaben 30 Millionen Mitglieder zählt. Die Teilnehmer waren aus allen Teilen der indonesischen Hauptinsel Java angereist. Ihr Führer, der populäre Abdurrahman Wahid, forderte die Menschen angesichts der schweren Zeiten zur Einheit auf. „Dann können wir die Probleme gemeinsam lösen.“

Habibie, der nach dem widerwilligen Rücktritt des alten Präsidenten Suharto im Mai ins Amt kam, galt zunächst als äußerst schwacher Nachfolger, da er weder im mächtigen Militär noch unter Geschäftsleuten viele Freunde hatte. Doch in den letzen Wochen hat er sich vor allem auf seiten muslimischer Organisationen Unterstützung erworben. Er selbst ist gläubiger Muslim, der seit Jahren jeden Montag und Donnerstag fasten soll und bis vor kurzem die einflußreiche Vereinigung muslimischer Intellektueller (ICMI) leitete. Nachdem er Staatschef geworden war, holte er prominente ICMI-Vertreter ins Kabinett.

Vor wenigen Tagen feuerte Habibie zudem 40 Suharto-Günstlinge aus dem obersten politischen Gremium Indonesiens, der Beratenden Volksversammlung. Statt dessen setzte er prominente muslimische Persönlichkeiten ein – wie die Leiterin des Cides-Politikinstituts, Dewi Anwar Fortuna, die zugleich seine Beraterin ist. Auch Amien Rais, der sich in den letzten Wochen der Suharto-Herrschaft zum mutigsten Sprecher der Opposition entwickelt hatte, ist nicht nur Vorsitzender der 28 Millionen Anhänger zählenden Muhammadiya-Glaubensgemeinschaft, sondern auch Mitglied von ICMI. Nach anfänglicher heftiger Kritik an Habibie ist er nun leiser geworden. Er werde den Präsidenten vorerst tolerieren, erklärte Rais.

Indonesien ist mit seiner zu rund 85 Prozent muslimischen Bevölkerung kein islamischer Staat. Die Verfassung schreibt vor, die fünf anerkannten Religionen gleich zu behandeln. Allerdings mehren sich derzeit die Stimmen, die ein stärkeres politisches Gewicht des Islam fordern. Dabei spielt auch der Zorn auf die als besonders reich geltende chinesische Minderheit eine Rolle. Viele Indonesier glauben, daß die Regierung diesen Reichtum auf die muslimische Mehrheit umverteilen solle.

Habibie, der nach den Worten des einflußreichen Religionsgelehrten Nurcholish Majid ein islamischer Präsident ist, wandert auf einem schmalen Grat. Sosehr er auf die Unterstützung der Muslime angewiesen ist, sowenig darf er das Militär vergraulen, das ihn stützt. In der Vergangenheit haben die Generäle eine Islamisierung Indonesiens bekämpft, weil sie um die Einheit des Landes fürchteten. Jutta Lietsch

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