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KommentarDer Irrtum

■ Ohne Werbung hätten ARD und ZDF auf Dauer keine Zukunft

Die Idee einiger Ministerpräsidenten klingt verlockend: Wenn es wenigstens bei ARD und ZDF keine Reklame gäbe... Wenn wenigstens ein Bereich im Fernsehen wäre, der von der allgemeinen Kommerzialisierung des Mediums verschont bliebe... ARD und ZDF könnten mit dem Argument auf Zuschauerfang gehen, daß sie ihr Programm nicht mit nervigen Werbespots unterbrechen. Die Öffentlich- Rechtlichen bräuchten nicht noch das letzte Flachformat der Privaten zu imitieren, sondern könnten sich auf das konzentrieren, wofür sie Gebühren bekommen: gute Dokumentationen, ordentliche Nachrichten, hochklassige Fernsehspiele. Die schmuddeligen Privaten werben, die Öffentlich-Rechtlichen aber halten sich sauber – so wie es bei der werbefreien BBC trefflich funktioniert.

So verlockend die Idee von der „Hygiene der Systeme“ (ARD-Vorsitzender Udo Reiter) klingt – sie ist ein Irrtum. Wer die Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen abschafft, risikiert am Ende, diese selbst abzuschaffen. Genau aus diesem Grund (und nicht nur, weil sie auf zusätzliche Einnahmen spekulieren) sind die Privatsender dafür. Sie wünschen sich ARD und ZDF als eine Art Zusatzsender, die all das machen, was sie selbst vernachlässigen: Dokumentationen, Bildungsprogramme, Nachrichten, Kultursendungen. Fußballspiele, Shows und Serien wollen die Privaten für sich. Denn sie wissen: Wer Shows und Serien bei ihnen guckt, der guckt auch die Nachrichten dort.

Sollte dieses Kalkül aufgehen und ARD und ZDF zum Minderheitensender werden, gäbe es aber keinen Grund mehr, die mehr als zwölf Milliarden Mark, die ARD und ZDF kosten, bei allen Zuschauern zu kassieren. Werbung zwingt sie, auf Quoten zu gucken und nicht nur Programm für das Bildungsbürgertum zu machen. Wenn es keine Werbung gäbe, sagt ARD-Programmchef Struve, kriegte er bei seiner Soap „Verbotene Liebe“ rote Ohren. Aber „Verbotene Liebe“ bringt jüngere, wenig gebildete Zuschauer dazu, das Erste Programm einzuschalten. Wer wie ZDF und ARD bei allen kassiert, muß Fernsehen für alle machen. Dazu gehört eben auch Werbung. Als Minderheitenprogramme würden die Öffentlich-Rechtlichen ihre Legitimation verlieren. Und dann gäbe es auch keine guten Dokumentationen und ordentlichen Nachrichten mehr. Lutz Meier

Berichte Seite 2 und Seite 16

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