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Durcheinander durch Fusionen

Viele Genossenschaftsbanken stecken in Geldnöten: Die Krise des Mittelstands kostet sie potentielle Kunden. Zusammenschlüsse machen sich nicht bezahlt  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) –„Achtung, Börsen-Testlauf“ wirbt die DG Bank in bunten Anzeigen. Frische Aktienkandidaten können sich vom Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken per Internet ihren Unternehmenswert ermitteln lassen. Sinnvoll könnten solche Recherchen jedoch auch im eigenen Finanzverbund des Anbieters sein: In jüngster Zeit häufen sich Meldungen über Schieflagen bei einzelnen Kreditinstituten. Obendrein sei der genossenschaftliche Sicherungsfonds, so der Infodienst Markt intern, von einer „schweren Krise geschüttelt“.

Am vergangenen Wochenende hatte die Volksbank Baden-Baden große Kreditverluste eingestanden. Der Wertberichtigungsbedarf habe sich allein im Jahre 1997 auf 130 Millionen Mark belaufen. Das Institut mußte daher die Hilfe der Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken in Anspruch nehmen – in Höhe von 70 Millionen Mark. Weitere 275 Millionen Mark seien zu berichtigen, heißt es. Bei einer Bilanzsumme von nur 3,3 Milliarden Mark kein Pappenstiel. Zuletzt könnte fast ein Zehntel aller Kredite aufgrund der notorischen Zahlungsunfähigkeit der Kundschaft mehr oder weniger verlustig gehen.

Mit einem Geschäftsvolumen von 1,3 Billionen Mark decken die Genossenschaftsbanken etwa 15 Prozent des deutschen Marktes ab, und sind damit insgesamt so groß wie die Deutsche Bank. Vor der Pleite stehen die Berliner Volksbanken, so Markt intern. 400 Millionen Markt müsse der Sicherheitsfonds des Finanzverbundes zu deren Rettung aufbringen. Für marode Genossenschaftsinstute in Baden, Bayern, Sachsen und Württemberg würden insgesamt etwa eine Milliarde Mark an Sanierungskosten anfallen. Deshalb sei der Beitragssatz für die Mitglieder in der genossenschaftlichen Sicherungseinrichtung um 50 Prozent erhöht worden. Zudem sollen die Banken zusätzlich einen vollen Jahresbeitrag einschießen, um die akute Schieflage auszugleichen.

Der genossenschaftliche Bundesverband dementiert. Von einer Krise des Sicherheitsfonds zu sprechen sei „völliger Quatsch“, erregt sich Sprecher Zimmermann in Bonn. Zwar gebe es immer wieder Schieflagen bei einzelnen Instituten, aber die seien insgesamt in der Vergangenheit auch schon schlimmer gewesen: 1992 wurde das Spitzeninstitut DG Bank erst durch einen Kapitaleinschuß durch befreundete Unternehmen wie der Rewe-Gruppe gerettet. So werde heute der Maximalbeitrag für das Sicherheitsnetz von zwei Promille des Kreditvolumens längst nicht erhoben. Selbst nach den jüngsten Hiobsmeldungen sollen die Institute noch deutlich weniger als ein Promille bezahlen. „Noch nie hat ein Sparer bei uns auch nur einen Groschen verloren“, versichert Verbandssprecher Zimmermann, und das werde auch zukünftig so sein.

Schuld an den gehäuften Schieflagen habe eine verfehlte Fusionspolitik, spekuliert Markt intern weiter. Seit langem drängen die Spitzen des traditionsreichen Finanzverbundes auf einen raschen Zusammenschluß. So fusionierten seit 1995 fast 200 Volks- und Raiffeisenbanken. Statt Kosteneinsparungen bewirkte das aber oft nur mehr Unübersichtlichkeit. Mancher Vorstand fühlte sich zudem zu riskanten Geschäften aufgerufen. Anderseits gelten viele Volks- und Raiffeisenbanken als zu klein, um eigenständig überleben zu können.

Das eigentliche Problem, so ein Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik in Bremen, sei jedoch die volkswirtschaftliche Schieflage. Klein- und Mittelbetriebe profitieren nicht von der üppigen Exportnachfrage, statt dessen gibt es immer neue Konkursrekorde. Aber just dieser alte Mittelstand ist das wichtigste Kundensegment der Genossenschaftsbanken – wie auch der Sparkassen. Trotzdem zahlte der Finanzverbund 1997 nach eigenen Angaben vier Milliarden Mark an Steuern, und das ist immerhin weit mehr, als die Deutsche Bank an Theo Waigel überwiesen hat.

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