: Oranier nach den Morden gespalten
Nach dem Brandanschlag vom Sonntag, bei dem drei katholische Kinder ums Leben kamen, kippt die Stimmung in Nordirland. Unionisten-Chef Trimble fordert ein Ende der Belagerung in Drumcree ■ Aus Portadown Ralf Sotscheck
Für die Oranier in Drumcree am Rand der nordirischen Stadt Portadown hat sich auch nach dem Mord an drei Kindern nichts geändert. „Wir bleiben in Drumcree, bis die Straße frei ist“, sagte der Pressesprecher David Jones, „so daß wir auf unserem traditionellen Weg zur Oranierhalle in der Carleton Street zurückkehren können.“ Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, fügte er hinzu.
Seit vorletztem Sonntag stehen Mitglieder des protestantischen Ordens an den Barrikaden, die ihnen den Weg durch die katholische Garvaghy Road versperren. Eine Regierungskommission hatte die Parade verboten. Aus Protest gegen diese Entscheidung kam es in ganz Nordirland täglich zu Krawallen; Häuser und Geschäfte von Katholiken wurden mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen. Bei einer dieser Attacken verbrannten in der Nacht zum Sonntag drei Kinder in Ballymoney. Die Beerdigungen finden heute statt. Im Zusammenhang mit dem Anschlag sind gestern zwei Männer festgenommen worden.
Die Morde haben tiefe Bestürzung in Nordirland ausgelöst. Die Oranier sind gespalten. Der Kaplan der Loge von Portadown, William Bingham, sagte in seiner Messe: „Es wäre nach der furchtbaren Tat in der Nacht zum Sonntag ein hohler Sieg, eine Viertelstunde lang über die Garvaghy Road zu marschieren, denn der Marsch fände im Schatten der Särge von drei kleinen Jungs statt, die gar nicht wußten, was der Oranier-Orden eigentlich ist.“
Der designierte nordirische Premierminister David Trimble, selbst Mitglied des Oranier-Ordens, und sein katholischer Stellvertreter Seamus Mallon gaben eine gemeinsame Erklärung heraus: „Wir fordern die Oranier in Drumcree auf, ihren Protest unverzüglich zu beenden und nach Hause zu gehen. Sollte das geschehen, bitten wir das Bürgerkomitee und die Bewohner der Garvaghy Road, die Bedeutung eines solchen Schrittes positiv anzuerkennen.“
Auch der Primat der protestantischen Church of Ireland, Erzbischof Robin Eames, hatte deutliche Worte: „Was in Drumcree passiert, ist falsch. Was im Namen des Protestantismus da geschieht, ist falsch. Die Leute sollen nach Hause gehen und denjenigen Raum geben, die nach einer Verhandlungslösung suchen.“ Die Kirche von Drumcree und die Felder, auf denen die Oranier ihre Zelte aufgeschlagen haben, gehören der Church of Ireland. Die Kirchenführung hatte bisher darauf verzichtet, Räumungsklage zu erheben, weil sie damit die Polizei vor eine unlösbare Aufgabe gestellt hätte. Für gestern abend erwartete man noch einmal einen Ansturm in Drumcree: Nach den landesweit 550 Paraden in Erinnerung an den protestantischen Sieg in der Schlacht am Boyne von 1690 wollten sich die Hardliner auf den Weg nach Drumcree machen, um die Parade zu erzwingen.
Eine andere umstrittene Parade verlief degegen ohne Zwischenfälle, abgesehen von einer Bombenwarnung, die sich jedoch als Fehlalarm erwies. Die katholischen Anwohner der Ormeau Road in Belfast hatten erklärt, sie würden in Anbetracht des dreifachen Mordes auf eine Blockade der Straße verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen