piwik no script img

„Mörder, Mörder“-Rufe gegen Schönbohm

■ StudentInnen sprengten Veranstaltung mit dem Innensenator an der Freien Universität. Vizepräsident sprach von „FU-Hooligans“

Mit ohrenbetäubenden Tumulten haben gestern FU-StudentInnen einen Vortrag von Innensenator Jörg Schönbohmn (CDU) verhindert. Auf Einladung des „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“ (RCDS) und der Jungen Union Zehlendorf hatte Schönbohm zum Thema „Die Herausforderungen Berlins auf dem Weg ins 21. Jahrhundert – Freiheit, Demokratie, Sicherheit“ sprechen wollen. Doch jeglicher Redeversuch ging in Klatschen, Pfeifen und Trommeln unter. Schönbohms Bodyguards hielten Regenschirme bereit, um eventuelle Eierwürfe abzufangen. Doch die rund 300 StudentInnen, die sich vor dem Hörsaal einer Leibesvisitation und Personalausweiskontrolle durch den RCDS unterziehen mußten, setzten auf ihre Stimmbänder, nicht auf Wurfgeschosse. Schönbohm, dem angesicht der haßerfüllten Stimmung sichtlich unwohl war, schallten „Mörder, Mörder“- Rufe entgegen. Mit einem Schachzug versuchte der FU-Vizepräsdient Werner Väth, die Lage zu beruhigen. Zwei StudentInnen sollten noch vor Schönbohm das Wort bekommen. Einen Moment herrschte Stille. Doch dann forderte ein Zwischenrufer: „Aber erst muß Schönbohm vom Podium verschwinden.“ Dann trat ein Asta-Vertreter ans Mikrofon. Er kritisierte die Abschiebung von BosnierInnen „in Pantoffeln“ in der vergangenen Woche. „Stimmt nicht“, erwiderte Schönbohm. Lachen mußte der Exgeneral über den Zuruf „Mal Disziplin da vorne“.

Als es im hinteren Teil des Hörsaals ein Gerangel zwischen Studenten und einem RCDS-Vertreter gab, der wegen einem Trillerpfeifenkonzert draußen das Fenster schließen wollte, brüllte Schönbohm ins Mikrophon: „Ich weiche nicht der Gewalt, sondern ich weiche der Intoleranz ... Sie sollten mal darüber nachdenken, wo unser Land hinkommt, wenn es nicht mehr möglich ist, an einer Hochschule eine geistige Auseinandersetzung zu führen.“ Ein Jurastudent machte noch einen letzten Versuch: „Ich bin hierhergekommen, um Schönbohm wegen seiner Innenpolitik zu kritisieren. Ich hatte gehofft, daß wir ihn argumentativ in die Mangel nehmen können.“ Doch auch er wurde niedergebrüllt. Ein türkischer Student der Ausländerliste kommentierte den Abbruch mit den Worten „Wir finden es gut, daß Schönbohm hier nicht mit rechten Parolen Wahlkampf machen konnte.“ Als der FU-Vizepräsident, der die Protestierer als „FU-Hooligans“ bezeichnete, die Veranstaltung nach einer halben Stunde für beendet erklärte, schallten aus den hinteren Rängen „Hau ab, hau ab“- Rufe. Dorothee Winden

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen