Durchs Dröhnland
: Kadett vollkotzen

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Meistens braucht es nur eine gute Idee, damit die gesamte Medienmeute anspringt wie auf Bestellung. Als vor zwei Jahren vier finnische Musikstudenten beschlossen, Songs ihrer Lieblingsband Metallica neu einzuspielen, wurde das zur Meldung, weil sie dazu ausschließlich das altehrwürdige Instrument Cello benutzten. Der schwere Gitarrendröhn wurde übersetzt in grummelnde Streicheinheiten. Der Neuigkeitswert dieser zugegebenermaßen recht hübschen Geschichte hat sich nun totgelaufen, und Apocalyptica versuchen sich daran, das Interesse wachzuhalten. Auf ihrer aktuellen Platte „Inquisition Symphony“ tauchen zwar erstmals Eigenkompositionen auf (Stücker drei, um genau zu sein), und auch Neuinterpretationen anderer Metallschaffender wie Pantera, Sepultura oder Faith No More, aber vor allem doch wieder Metallica-Coverversionen. Diesmal müssen Hits wie „For Whom The Bell Tolls“ und „Nothing Else Matters“ dran glauben. Daß das Prinzip schon immer überaus eingeschränkt war, weder die Komplexität klassischer Musik noch die brachiale Gewalt der Originale überhaupt zur Debatte stehen, und dem Ganzen hier auch nichts Neues hinzugefügt wird, ist diese Musik so belanglos, wie sie schon damals war. Nur damals war es eine nette Geschichte. Das ist sie jetzt nicht mehr. Jetzt sind es ein paar kitschige Momente, auf die man verzichten kann.

18.7., 20 Uhr, im SFB-Sendesaal, Haus des Rundfunks, Masurenallee 8–14, Charlottenburg

Zuletzt hat Wyclef Jean „99 Luftballons“ aufgenommen. Im Fernsehen hat er Nena gar „my Lady“ genannt und überhaupt wären die 80er ganz toll gewesen. Was ich damit sagen will? Es ist soweit, Revivaltime, darf ich bitten, hier sind sie: die 80er. Demnächst dann auch wieder George Michael? Droht Chris de Burgh? Vielleicht gar Richard Marx? Das sind Aussichten. War der Headliner Pur nicht schon immer ein warnendes Mahnmal, was passiert, wenn man gar nicht von den 80ern lassen will. Was geschieht, wenn man sich den Nackenspoiler zu spät abrasiert? Daß noch der letzte Hirnsaft abgesaugt wird? Daß man berühmt wird, weil jeder, der genauso doof ist wie man selbst, die doofen Songs gar nicht doof findet, und statt dessen die Friseuse, mit der er das Bett teilt, auf die Schultern nimmt, damit sie dort oben so rumschaukelt, daß man später leichter den Opel Kadett vollkotzen kann?

Mit Nena und Creme 21, 22.7., 18.30 Uhr, Waldbühne, Glockenturmstraße Ecke Passenheimer Straße, Charlottenburg

Ab ins Flugzeug und weg von der Liebsten, Herz- und Abschiedsschmerz, ist ein ebenso altes wie beliebtes Rock-'n'-Roll- Motiv. Weshalb nicht überrascht, daß Swamphead mit „Leaving on a Jetplane“ auch so einen Song im Angebot haben. Denn der Rest ist schwülstige Rockmusik mit einem knödeligen Sänger, der am liebsten Axl Rose wäre, und einem Haufen Gitarren, die glauben, fürs Rumdröhnen bräuchte man keinen Waffenschein. Ich könnte die Ergüsse des überaus jungenhaften Quintetts aus dem Emsland der schönen alten Zeiten zuliebe ja normalerweise ganz gut finden, aber weil ich mir vor ein paar Tagen erst in einem Anfall von Nostalgie auf irgendeinem Musiksender „Paradise City“ in voller Länge reingequält habe, ist mein Pensum an Schweinerock momentan vollständig ausgeschöpft. Der Flugzeug-Song, ich geb's ja nicht gerne zu, ist trotzdem ziemlich hübsch und geradezu unverschämt hymnenhaft.

23.7., 22 Uhr, Wild At Heart, Wiener Straße 20, Kreuzberg

Laßt uns kurz in die persönliche Geschichte von Go Plus gucken: Dort finden sich erste Platten von den Beatles, eine tiefe Verehrung von Nik Kershaw (wobei wir tunlichst verschweigen, wer dafür verantwortlich ist), die Bandgründung, weil Jungs das halt so tun, und schließlich ein Bandname, der von einer Platte von XTC stammt. So weit, so normal. Doch dann passiert es: Pit Przygodda entdeckt Blumfeld und Cpt. Kirk & und fühlt sich inspiriert. Mithin gehören Go Plus zur jener ersten Generation von Bands, die das, was man allgemein die Hamburger Schule nennt, bereits als Vorbild nehmen konnten. So singt Przygodda denn auch ebenso selbstverständlich übers Leben und die Liebe wie übers Liederschreiben: „Sehnsucht schreibt die Songs“. Es kann aber auch heißen: „Gänsehäute kleiden mich total.“ So oder so, immer ist es Pop, was man an den dickplüschigen Harmonien unschwer erkennen kann, die sich auf dem Debüt „Largo“ so mächtig gewaltig auftürmen, daß die Namen Prefab Sprout oder Beach Boys unweigerlich fallen müssen. Dazwischen turnen schon mal ein wohltemperiertes Klavier oder allerliebste Schrammelgitarren. Wenn einem gute Popmusik beim ersten Mal wie viel zu dick aufgetragen erscheinen muß, dann sind Go Plus ziemlich gute Popmusik. Ach ja, wenn doch nur der Sommer bald käme, dann wäre die Musik des Hamburger Trios auch noch am rechten Ort.

Mit Contriva, 24.7., 22 Uhr, im Glashaus der Arena, Eichenstraße 4, Treptow Thomas Winkler