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„Sex mit kleinen Kindern ist Sadismus“

■ Werner Platz, Chefarzt in der Berliner Karl-Bonnhoeffer-Klinik und Privatdozent, zu Pädophilie

taz: In den Niederlanden scheint ein Ring von Händlern aufgeflogen zu sein, der mit Kinderpornographie im Internet handelt. Ist es für die Konsumenten dieser Pornographie ein besonderer Reiz, solche Aufnahmen im Internet zu sehen?

Werner Platz: Nein, das Internet hat nichts mit der Intensität der Befriedigung zu tun. Die Filme sind so einfach leichter zugänglich. Das Zuschauen ist nur ein Teil des sexuellen Verhaltens. Wir haben Pädophile begutachtet, die selbst Pornoschriften vertrieben haben. Der direkte Kontakt zu Pubertierenden ist bedeutungsvoller.

Handelt es sich um Männer oder Frauen?

Die ganz überwiegende Zahl, mit denen wir es zu tun haben, sind Männer. Ich habe zum Beispiel noch nie ein gerichtliches Gutachten über eine pädophile Frau erstellt.

Woran liegt das?

Das ist schwer auf eine Ursache zurückzuführen. Frauen sind anders sozialisiert. Wir haben hier im Maßregelvollzug 18 Frauen, die 230 Männern gegenüberstehen.

Leben Männer ihre Sexualität im Prinzip offensiver, aggressiver aus?

Ja, so kann man das einordnen.

Sind Pädophile schlicht perverse Verbrecher?

Das ist eine Wertung. Im psychiatrischen Sinne spricht man von einer Störung der Sexualpräferenz. Pädophile haben das Hauptmerkmal, daß sie unter immer wiederkehrenden starken sexuellen Impulsen – wenn man so will – leiden, sexuelle Aktivität mit einem pubertierenden oder präpubertierenden Kind aufnehmen. Meist sind es Kinder um die 13 Jahre. Und das beschränkt sich auf diesen Altersbereich. Sobald sich Bartwuchs zeigt oder die Kinder Schamhaare bekommen, erlischt das sexuelle Interesse.

Ist Pädophilie eine Krankheit?

Die Weltgesundheitsorganisation vermeidet diese Bezeichnung. Sie spricht ausdrücklich von Störungen der sexuellen Präferenz. Die Pädophilie ist einzuordnen wie Exhibitionismus oder Voyeurismus, wie alle Formen sexuell devianten [abweichenden] Verhaltens.

Wenn Sex mit Kindern weit unter zehn Jahren stattfindet, etwa mit Kleinkindern, hat das nichts mit Pädophilie zu tun.

Was ist das dann?

Dann spricht man von sexuellem Sadismus. Es kann einfach auch nur Grausamkeit sein – ohne daß das mit Sexualität zu tun hätte. Jemand kann Zufriedenheit nur aus der Ausübung von Gewalt empfinden. Pädophilie kann allerdings auch mit sexueller Gewalt einhergehen: Wenn sich jemand sexuell daran weidet, Pubertierenden Gewalt anzutun.

Wie wirkt sich das auf die Kinder aus, die es erleiden müssen?

Es kann katastrophale Auswirkungen haben. Es treten Traumatisierungen auf, das heißt, es werden Schäden gesetzt, die sich in psychischen und in Entwicklungsstörungen ausdrücken. Das geht bis zu bleibenden Schäden. Man weiß zudem auch, daß so ein Erlebnis der Mißhandlung den Boden bereiten kann, um selbst pädophil zu werden. Interview: Christian Füller

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