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Gerichtshof mit Seitenausgängen

Gegen den Widerstand der USA beschließt eine Konferenz in Rom die Gründung eines Weltstrafgerichtshofs. Das Statut besteht aus vielen Kompromissen  ■ Aus Rom Andreas Zumach

Im Statut für den künftigen Internationalen Strafgerichtshof (ICC) haben Deutschland und die anderen 59 Befürworter einer politisch unabhängigen Institution mit weitreichenden Kompetenzen zwar die meisten ihrer Ziele in Grundsätzen verankern können. Zur Sicherung einer möglichst breiten Mehrheit bei der Schlußabstimmung am Samstag unter den 162 Teilnehmerstaaten der Konferenz in Rom konzidierten sie jedoch zahlreiche Schlupflöcher.

Der ICC kann Verfahren gegen Personen durchführen wegen Kriegsverbrechen, Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeitund Verbrechen des Angriffskriegs, wenn nationale Gerichte nicht existieren, nicht in der Lage oder unwillig sind, bestimmte Fälle aufzugreifen. Gegen eine entsprechende Feststellung einer Prüfkammer des ICC hat ein Staat zwei Berufungsmöglichkeiten. Der ICC ist auch für interne Konflikte zuständig. Seine Jurisdiktion für das Verbrechen des Angriffskrieges wird aber erst praktisch wirksam, wenn sich die Vertragsstaaten auf die Definiton von „Angriffskrieg“ einigen. Diese Einigung ist frühestens möglich auf der ersten Überprüfungskonferenz sieben Jahre nach Inkrafttreten des Statuts. Für das Inkrafttreten ist seine Ratifizierung durch mindestens 60 Vertragsstaaten erforderlich. Dies wird bis zu fünf Jahre dauern.

Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof können nicht nur auf Antrag einzelner Regierungen oder des UNO-Sicherheitsrates ausgelöst werden, sondern auch auf Eigeninitiative des/r AnklägerIn. Dies hatten die USA aus Angst vor „mißbräuchlichen“ Verfahren gegen US-BürgerInnen bis zuletzt zu verhindern gesucht. Über den/die AnklägerIn können sich wiederum auch regierungsunabhängige Organisationen oder Einzelpersonen um die Anstrengung eines Verfahrens bemühen.

Die von amnesty international, dem Internationalen Roten Kreuz und vielen anderen regierungsunabhängigen Organisationen kritisierten wichtigsten „Schlupflöcher“ des Statuts sind:

– Der ICC kann nur dann ein Verfahren durchführen, wenn entweder das Tatortland oder das Herkunftsland des Beschuldigten Mitglied des ICC ist. Falls nicht, muß einer der beiden Staaten vorab seine Zustimmung erteilen. Die USA scheiterten mit dem Versuch, sogar die Mitgliedschaft bzw. Zustimmung beider Staaten zur Vorbedigung zu machen.

– Für zunächst einmal sieben Jahre nach der Ratifizierung des Statuts können Regierungen Verfahren gegen Bürger ihres Landes wegen Kriegsverbrechen durch ein Veto verhindern. Es besteht die Option, daß diese Frist auf künftigen Überprüfungskonferenzen noch verlängert wird. Mit dieser Kompromißregelung wurde Frankreich in den letzten 48 Verhandlungsstunden von den anderen 14 EU-Staaten zur Annahme des Statuts bewegt.

– Der Sicherheitsrat kann in einem Beschluß nach Kapitel sieben der UNO-Charta die Einleitung eines Verfahrens verhindern oder ein bereits laufendes Verfahren unterbrechen – zunächst für zwölf Monate und danach beliebig oft für die gleiche Zeitspanne.

– Wegen Kriegsverbrechen angeklagte Soldaten können sich unter bestimmten Umständen auf „Befehlsnotstand“ berufen.

Trotz dieser Entgenkommen der Befürworter eines wirksamen ICC votierten in der anonymen Abstimmung sieben Staaten gegen das Statut: Offen bekannte sich neben den USA nur noch Israel zu seinem „Nein“. Es wird vermutet, daß weitere Neinstimmen von China, Rußland und Irak kamen.

Kommentar Seite 10

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