Wer kennt schon Krishna Banji?

Zwischen Hoffnung und Hasenzähnen: Asian-Americans sind in Forschung und Wirtschaft erfolgreich, in Hollywood spielen sie als Minderheit aber bloß Nebenrollen. Nur langsam werden neben Kung-Fu-Kämpfern auch andere asiatische Filmstars akzeptiert  ■ Von Alexander Remler

Auf einmal waren alle gegen ihn. Als der Engländer Jonathan Pryce in dem New Yorker Broadway-Musical „Miss Saigon“ für die asiatische Hauptrolle besetzt wurde, kam es zum Eklat. Ein weißer Schauspieler in einer asiatischen Rolle? Als später bekannt wurde, daß Asiaten nicht einmal zum Vorsprechen eingeladen wurden, drohte ein von liberalen Medien angeführter Boykott. Daraufhin bekam die Produktionsleitung kalte Füße und engagierte doch einen asiatischen Schauspieler.

Das Beispiel zeigt, wie schwierig sich das Verhältnis der Amerikaner zu den Asian-Americans gestaltet. Die ökonomisch erfolgreiche Minderheit wird im öffentlichen Leben kaum wahrgenommen. Hinter der kulturellen Unterrepräsentanz versteckt sich kulturelle Ignoranz. Selbst kommerziell erfolgreiche Filmemacher wie Wayne Wang, Ang Lee oder Gregg Araki müssen gegen alte Vorurteile kämpfen. Und Hongkong-Stars wie Jackie Chan oder Chow Yun-Fat schlagen sich mit den Klischees karatekämpfender Actionstars herum.

Einzig die japanische Popkultur, die immer mehr ihren Weg in den amerikanischen Mainstream findet, rüttelt am Status quo. „Im Prinzip dreht sich alles nur ums Geld“, meint Nancy Kwan, Sängerin im ersten mehrheitlich mit Asian-Americans besetzten Musical „Flower Drum Song“. „Es ist eine Frage der Marktfähigkeit. Je mehr Asiaten sich hier niederlassen, desto schneller kommen die Dinge in Bewegung.“ Filme von Takeshi Kitano oder Wong Kar- Wai, die zunächst nur in ausgewählten Programmkinos liefen, verlassen langsam ihr Nischendasein. Und wenn der New Yorker Regisseur Wayne Wang („Smoke“) mit „Chinese Box“ einen Film über seine Geburtsstadt Hongkong dreht, dann stellt er sich nicht an die Spitze einer Bewegung, sondern springt auf einen bereits fahrenden Zug auf. Andere gehen den umgekehrten Weg. Mit Gong Li und Maggie Cheung versuchen in „Chinese Box“ gleich zwei asiatische Stars den Sprung nach Hollywood.

Schwarze Kultur und Themen sind aufgrund der geschichtlichen Entwicklung und des Anteils an der Bevölkerung im öffentlichen Bewußtsein Amerikas weit mehr verankert als die Belange der Asian-Americans, jener Amerikaner asiatischer Herkunft. Dagegen besetzen Asiaten mittlerweile in Bereichen der akademischen Forschung und der Zukunftstechnologie wichtige Positionen. Medizin, Software-Industrie und Naturwissenschaften verzeichnen einen überproportionalen Anteil. Gleichzeitig sind die Helden der Fernsehserien „E.R.“ oder „Frasier“ zum Beispiel überwiegend weiß. Eine Untersuchung der „National Conference“ ergab, daß rund 20 Prozent der Weißen eine vierjährige College-Ausbildung besitzen. Unter den Asiaten waren es mehr als 40 Prozent. Zahlen, aus denen sich Vorurteile ableiten. Allerdings sind die gegenseitigen Vorurteile unter den Minderheiten noch weit mehr verbreitet: 50 Prozent der Latinos und 40 Prozent der Schwarzen stimmen der Aussage zu, die Asiaten seien „skrupellos, listig und verschlagen“. Die 20 Prozent der Weißen, die diese Auffassung teilen, nehmen sich dabei schon wieder fast gering aus. Im Gegenzug teilen auch die Asiaten deutlich aus. 70 Prozent der Asian-Americans sind fest davon überzeugt, daß Latinos „viel zu große Familien haben, die sie nicht ernähren können“. Die wachsende Zahl der Asiaten in Amerika und deren ökonomischer Erfolg hat bislang zu keinem gesellschaftlichen Konsens geführt.

Im vergangenen Jahr sorgte ein offener Brief des Schauspielers Steve Park für Wirbel, als er verbale Ausfälle und Diskriminierungen am Set der NBC-Fernsehserie „Friends“ schilderte. Erst durch das Einschreiten der mächtigen Schauspielergewerkschaft Screen Actors Guild sah sich der Sender zu Konsequenzen genötigt. Verantwortliche aus der zweiten Reihe mußten daraufhin gehen. Davor hatten sich scheinbar alle mit dem bißchen Rassismus am Arbeitsplatz arrangiert. Ähnlichen Geringschätzungen sah sich auch ein späterer Star am Beginn seiner Karriere ausgesetzt: Dem Schauspieler Krishna Banji blieben viele Türen aufgrund seines „ausländischen“ Namens verschlossen. Kaum hatte er ihn geändert, konnte er sich dagegen erfolgreich für die bislang größte Rolle in seiner Laufbahn bewerben. Für seine Darstellung in „Gandhi“ erhielt er 1983 sogar einen Oscar. Krishna Banji ist der „Künstlername“ von Ben Kingsley.

Die Diskriminierung der Asian- Americans hat eine lange Tradition. „Blackfaces“ – weiße Schauspieler, die sich als Schwarze ausgeben – gelten schon lange als politisch unkorrekt. Die Filmklassiker „Birth of a Nation“ (1915) von D. W. Griffith oder Croslands „The Jazz Singer“ (1927) sind unter anderem deshalb geächtet. Anders ist es mit den „Yellowfaces“. Noch 1995 erklärte das Hollywood-Standardwerk „The Complete Make- up Artist“, wie man in Minutenschnelle aus einem „Kaukasier“ einen „Orientalen“ zaubert.

Während der Jahre, die Hollywood gerne als die „goldenen“ feiert, sah das Publikum nur weiße Schauspieler in asiatischen Rollen. In den 30er Jahren spielte der damals populäre Warner Oland den Detektiv Charlie Chan, John Wayne den Genghis Khan in „The Conqueror“ (1956), und Boris Karloff machte den kurzen Schritt von „Frankenstein“ zu „Fu Manchu“ (1932). Auch Shirley MacLaine war sich nicht zu schade, Jack Cardiffs „My Geisha“ (1962) zu spielen. Ärgerlicher Höhepunkt ist Blake Edwards „Breakfast at Tiffanys“ (1961), in dem Audrey Hepburn ihrem japanischen Nachbarn per Augenaufschlag mitteilt: „Sei nicht böse, du armer, kleiner Mann ... Wenn du mir versprichst, nicht mehr böse zu sein, dann zeige ich dir auch die Fotos, von denen ich das letzte Mal gesprochen habe.“ Der sowohl intellektuell als auch sexuell zu kurz gekommene Japaner ist daraufhin selig. Doch der vermeintliche Japaner ist keiner, sondern der weiße Schauspieler Mickey Rooney, der hier alle gängigen Stereotypen bedient: eine abenteuerliche Augenmaske samt fensterglasdicker Hornbrille über schielenden Augen, dazu meterlange Hasenzähne und ein fürchterlicher Akzent. Fakt ist: War in Hollywood eine asiatische Rolle zu vergeben, hat sie kein Asiate bekommen. Selbst für die 70er-Jahre-Fernsehserie „Kung Fu“ erhielt nicht Bruce Lee die Hauptrolle, sondern der kampfunerprobte David Carradine. Und natürlich mischte in den 80er Jahren ein weißer „Karate Kid“ die ungerechte Karatewelt auf. Für die asiatische Atmosphäre kam nur ein faltiger Chinese aus dem Hintergrund in Frage.

Das Spiel mit kulturellen Klischees ist tückisch. Alle amüsieren sich über Gerard Depardieus fressenden und furzenden Franzosen aus dem „Mann mit der eisernen Maske“. Aber bei Steve Parks Darstellung des Japaners in „Fargo“ (1995), der es darauf anlegt, eine schwangere Frau zu verführen, wird das schon schwierig. Und was ist mit den bösen und blöden Deutschen (die keine Deutschen sind) in dem neuen Coen- Film „The Big Lebowski“, die als eine Gruppe radikaler Nihilisten aus Bremen daherkommen? Bremen übrigens, „weil sich Bremen für amerikanische Ohren so schön häßlich anhört“, wie Joel Coen erzählt. Das ist lustig, aber der Grat zwischen Diskriminierung und Satire ist schmal. Die Grenzen sind fließend. Und doch: Wer konsequent die Vermeidung aller nationalen Stereotypen fordert, bekommt letztlich den politisch korrekten Film. Langweilig würde der nur verdecken, was an Klischees untergründig vorhanden ist.

Filme spiegeln Erwartungen und Wünsche der Zuschauer wider. Deshalb erhalten die hübschen Asiatinnen ihren Auftritt, die sich weiße Actionhelden gelegentlich gönnerhaft an die Seite holen. Michelle Yeoh im letzten James-Bond-Film oder Bai Ling in Richard Geres „Red Corner“ etwa. Von Repräsentation einer gesellschaftlichen Gruppe kann dabei wohl kaum die Rede sein. „Die gesamte Filmindustrie steht für Diskriminierung“, meint der amerikanische Journalist Kiran Rao. „Wenn beim Casting gesagt wird: ,Wir suchen nur nach weißen Schauspielern‘, dann müssen wir dafür kämpfen, daß wir auch für Mainstream-Filme und nicht nur für speziell asiatische Rollen genommen werden.“ Deshalb ist Mike Figgis' „One Night Stand“ bemerkenswert. Eigentlich eher unspektakulär, überrascht Figgis („Leaving Las Vegas“) gleich mit zwei Besetzungen. Denn einmal schaffte Robert Downey Jr. kurz nach der Drogenrehabilitation sein Comeback, und dann spielte Ming-Na Wen in einer Rolle, die vom Drehbuch nicht unbedingt als „asiatisch“ vorgeschrieben war. Der Film wurde von den Asian- Americans als Durchbruch gefeiert. Auf einmal sahen sie sich im normalen (Film-)Leben angekommen. Für viele ein wichtigeres Hoffnungszeichen als so manch gutgemeinter Großversuch.