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„Zur Schule kann man immer gehen“

■ Vor dem Ticket Center war die Hölle los: Die letzten Backstreet-Boys-Karten wurden verkauft

Seit wann sie hier sind? Hinter der Absperrung wird es munter: seit acht Uhr morgens. Seit sieben. Halbsieben. Sechs. „Wir haben hier übernachtet“, trumpfen Sina Becker und Florentine Lahusen gelassen auf. Beide sind 15 Jahre jung und sehen reichlich mitgenommen aus, von den Strapazen der Nacht. Dabei war es gar nicht kalt. Eine Decke hat gereicht. Was mädchen nicht alles tut.

Sie waren sogar vor den Sanitätern des ASB am Ort, die etwas abseits dem Ernstfall gelassen entgegenschauen: Einen Sonnenstich, den könnten sich schon einige holen, heute. Dann müßten die aus der Warteschlange gezogen werden. Falls die Mädchen das mit sich machen lassen.

Hinter Sina und Florentine ist die Schlange quer über die Bürgerweide auf stattliche zweihundert Meter angewachsen. Um zehn Uhr morgens. Am einzigen Tag, an dem hier die Karten zu haben sind. Je weiter hinten, desto älter das Publikum. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das weiß doch jeder. „Zur Schule kann man immer gehen“ meint Sina. Womit das Thema für den Rest des Tages erledigt zu sein scheint.

Gleich sind die zwei aus Horn an der Reihe. Dann dürfen sie ins Ticket Service Center und ihr Geld ausgeben. Für das Konzert des Jahres. Für die Backstreet Boys. An die Backstreet Boys kommt keine andere Boygroup ran. Das bestätigen auch die anderen Mädchen im Pulk ganz vorne. Höchstens Take Five. Aber darüber läßt sich trefflich diskutieren. Und das mit Inbrunst. Out? „Wer soll denn jetzt in sein“, drängt eine pubertierende Blonde den Frager in die Defensive. „Die Backstreet Boys sind doch nicht out!“ Pardon.

Daniela Donat, auch 15, kommt mit verklärtem Blick aus der Verkaufsstelle heraus. Sie hat's geschafft: Zwei Karten für das Konzert der Backstreet Boys sind ihr eigen. Sechzig Mark hat sie pro Ticket abgelöhnt, aber das ist nicht zu viel für den Traum jedes zweiten Mädchens „So und jetzt nach Hause“ stöhnt Mutter Donat mit der zusammengerollten Iso-Matte unter dem Arm. Auch sie hat sich mit Daniela und ihrem 14-jährigen Bruder gestern abend vor das Ticket-Center gelegt und gemeinsam haben sie sich die Nacht mit einer Handvoll Hardcore-BSB-Fans um die Ohren geschlagen. Jetzt geht's zurück nach Elmshorn. Was Mutter nicht alles tut. „Wir fahren nächste Woche in Urlaub. Ohne die Karten, das wäre einfach nicht gegangen“, schätzt sie die Lage realistisch ein.

Am 13. Dezember kommen Kevin, Nick, Brian, Alexander und Howard in die Stadthalle nach Bremen. Wer jetzt noch keine Karten hat, kann die Sache echt vergessen. Christoph Dowe

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