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„Das bloße Anschauen der Bilder ist nicht strafbar“

■ Polizei jagt vor allem Hersteller von Kinderpornographie, weniger die Konsumenten

Die Berliner Kriminalpolizei konzentriert sich vorrangig darauf, die Hersteller von Kinderpornographie dingfest zu machen. „Wir müssen an die Täter heran. In zweiter Linie an die Verbreiter und erst in dritter Linie an die User“, sagte gestern der amtierende Leiter des Landeskriminalamtes (LKA), Hans Ulrich Voß, der taz. Er reagierte damit auf den Vorwurf des Tagesspiegel, die Polizei gehe nicht gegen die Konsumenten von Kinderpornographie im Internet vor, obwohl dies technisch sehr einfach sei. Hintergrund ist, daß die Berliner Polizei nicht im Internet nach Kinderpornographie- Konsumenten fahndet, sondern auf die in den Niederlanden beschlagnahmten Berliner E-Mail- Adressen wartet.

Der Leiter des LKA verwahrt sich gegen die Darstellung der „tumben Polizei“. Berlin verfüge als einziges Bundesland über ein Spezialreferat zur Bekämpfung von Kinderpornographie. Mit elf Beamten und zwei Angestellten sei das Referat nicht nur personell besser ausgestattet als jede Mordkommission. Auch technisch sei man auf dem neuesten Stand: Es gebe vier PC-Arbeitsplätze, einer davon internettauglich, sowie zahlreiche moderne Apparate zur Auswertung von Videos, Filmen, Dias und sonstigen Bilderzeugnissen. Zwei der Mitarbeiter seien besonders geschulte Internetexperten, die durchaus in der Lage seien, im Netz auf Konsumentenjagd zu gehen.

Doch davon hält Voß nichts. Die „anlaßunabhängigen Ermittlungen“ – also die Fahndung im Internet ohne konkreten Tatverdacht – stehe in keinem Verhältnis zum zeitlichen Aufwand, geschweige denn zum Erfolg. Das alleinige Anschauen der Bilder sei nicht strafbar. Strafbar sei lediglich der Besitz, im Sinne vom Herunterladen auf die Festplatte. Aber auch dies sei noch eine juristische Grauzone. Sich auf die Konsumenten zu konzentrieren „wäre ein Kampf gegen Windmühlenflügel“, sagt Voß. Wenn die Kripo die Erkenntnisse aus Holland habe, werde man den Angaben sofort nachgehen. Die Fahndung nach den Kindesmißbrauchern, die die Bilder in der Regel auch produzieren, stehe jedoch im Vordergrund.

Wie berichtet ist Bayern das einzige Bundesland mit einer Kriposondereinheit für Internet-Straftaten. Der Berliner Polizei wird es als Versäumnis angekreidet, daß sie nicht ebenfalls eine solche Stelle eingerichtet hat. Voß verweist darauf, daß sich die Chefs der Landeskriminalämter im vergangenen Jahr bewußt darauf geeinigt haben, nur eine Zentralstelle in Bayern einzurichten. Die fünf Beamten durchkämmen täglich sämtliche Onlinedienste, Webseiten und Newsgroups nach strafbaren Inhalten. Entsprechende Erkenntnisse würden „heruntergeladen“ und an das zuständige LKA weitergeleitet. Wenn jedes Bundesland eine solche Einheit hätte, würden die Fahnder, die auch inkognito zum Schein versuchen, Kontakt mit Pornovertreibern aufzunehmen, sich gegenseitig lahmlegen, glaubt Voß. Plutonia Plarre

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