: Der Lübecker Brand schwelt weiter
Heute wird vor dem Bundesgerichtshof über einen Antrag der Nebenkläger im Prozeß gegen Safwan Eid verhandelt. Unterdessen sorgt ein angebliches Geständnis eines ostdeutschen Jugendlichen für Verwirrung ■ Von Volker Probst
Berlin (taz) – Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe wird sich heute mit dem Freispruch für den Libanesen Safwan Eid im Lübecker Brandprozeß befassen. Anlaß dafür ist das Revisionsgesuch der Familie El-Omari, die schon bei dem Prozeß gegen Eid als Nebenkläger aufgetreten war. Aus Mangel an Beweisen hatte das Lübecker Landgericht am 30. Juni 1997 Safwan Eid von dem Vorwurf freigesprochen, für das Feuer in der Flüchtlingsunterkunft verantwortlich zu sein, bei dem am 18. Januar 1996 zehn Menschen gestorben waren. Das Revisionsgesuch stützt sich auf die Behauptung, in dem Prozeß gegen Eid sei ein Beweisantrag der Ankläger zu Unrecht abgewiesen worden. So hatte das Gericht Protokolle von abgehörten Gesprächen, die Eid während seiner Untersuchungshaft in der Besucherzelle geführt hatte, nicht zur Verhandlung zugelassen. Angeblich belasten diese Eid. Der BGH muß nun entscheiden, ob es vor dem Lübecker Landgericht zu Verfahrensfehlern gekommen ist. Keine Rolle werden dabei aber Verdachtsmomente gegen vier Jugendliche aus Grevesmühlen spielen, die sich in der Brandnacht in Lübeck aufhielten. Während linke Unterstützerkreise von Eid sie für die Urheber des Anschlags halten, war die Staatsanwaltschaft stets skeptisch. So will eine Polizeistreife etwa 20 Minuten vor dem Lübecker Brandanschlag das Auto der Jugendlichen an einer weit von der Flüchtlingsunterkunft gelegenen Tankstelle gesehen haben. Nachdem der Brand gemeldet worden war, will dieselbe Streife das Auto der Grevesmühlener auf dem Weg zum Tatort überholt haben. Überdies existiert ein Kassenbon, der ebenfalls belegen soll, daß die Jugendlichen zum Brandzeitpunkt an der Tankstelle einkaufen waren.
Andererseits blieb bis heute ungeklärt, woher die Brandspuren, die kurz nach dem Anschlag auf das Flüchtlingsheim an den Körpern von drei der vier Jugendlichen festgestellt wurden, stammten. Einen weiteren Anhaltspunkt dafür, daß die Grevesmühlener die Tat begangen haben könnten, sehen die Unterstützer von Eid in dem „Hintergrund neonazistischer Aktivitäten“ der Jugendlichen. Tatsächlich lassen sich zumindest bei einem der vier Kontakte zu rechtsextremen Kreisen nachweisen – bei dem heute 20jährigen Maik W.
Schon mehrmals brüstete sich Maik W. öffentlich damit, daß er und seine Kumpane für den Lübecker Brandanschlag verantwortlich seien. Doch jedes Mal bestritt er wenig später wieder die Tat. Im Februar diesen Jahres legte er im Neustrelitzer Gefängnis, wo er wegen verschiedener Eigentumsdelikte einsitzt, ein Geständnis ab. Doch drei Tage darauf – im Beisein der Ermittlungsbehörden – widerrief er seine Aussagen erneut.
Bislang zum letzten Mal goß Maik W. vergangene Woche in einem Interview mit dem Spiegel Öl ins Feuer: Wieder einmal bezichtigte er sich und die drei anderen Grevesmühlener der Tat – Hintergrund seien Streiteren um Drogengeschäfte mit den Bewohnern des Flüchtlingsheims gewesen. Doch am Freitag vergangener Woche stritt Maik W. gegenüber den Ermittlern wiederum alles ab: „Herr W. hat uns gegenüber erklärt, er habe mit dem Spiegel ausschließlich über die Hintergründe seines widerrufenen Geständnisses vom Februar gesprochen“, sagt Klaus- Dieter Schultz, Sprecher der Lübecker Staatsanwaltschaft. Aus dem Interview-Wortlaut von Maik W. mit dem Spiegel ist aber ersichtlich, daß es sich um ein neuerliches Geständnis handelt. Dem Spiegel liegt nicht nur eine eidesstattliche Versicherung von Maik W. vor. „Er hat uns das Interview auch Seite für Seite einzeln abgezeichnet“, sagt Gunther Latsch, Leiter des Deutschland-Ressorts beim Spiegel. Das Gespräch mit Maik W. habe zudem ein langgedienter Mitarbeiter geführt. Daran, daß dem Spiegel das Interview mit Maik W. wie abgedruckt vorliegt, hat auch Klaus-Dieter Schultz keine Zweifel. Den Wahrheitsgehalt der darin enthaltenen Aussagen hält er aber für gering. Trotzdem werden die Ermittlungen gegen die Grevesmühlener Jugendlichen, die schon nach Maik W.s Geständnis vom Februar wieder aufgenommen worden waren, fortgeführt.
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