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Wenn der Castor kommt: Krankfeiern!

■ Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Bremen, Dieter Oehlschläger, fordert wesentlich mehr Sicherheit für das Begleitpersonal von Atomtransporten / Schulterschluß mit den Grünen

Stell Dir vor, es ist Tag X, und die Polizei geht nicht hin. Derjenige, der das vorschlägt, kommt nicht aus der Anti-AKW-Bewegung, sondern ist der Chef der Bremer Gewerkschaft der Polizei (GdP): Dieter Oehlschläger will seine KollegInnen beim nächsten Castor-Transport zum Krankfeiern auffordern, wenn nicht für die 100-prozentige Sicherheit des Begleitpersonals garantiert werden kann.

Oehlschläger nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er von den Atom-Skandalen der letzten Monate spricht. „Das Vertrauen zu Betreibern, Transporteuren und politischen Kontrollen ist am Boden zerstört“, meinte er auf einer trotz Biergarten-Wetter gutbesuchten Veranstaltung der Grünen am Montag abend, Thema: „Risiko Atomenergie: Wie machen wir dem Spuk ein Ende?“ Und da sitzt der GdPler und fordert: Unabhängige Kontrollen vor, während und nach einem Transport. „Wenn dies beim nächsten Transport nicht gegeben ist, scheue ich mich nicht, den Kollegen zu raten, sich krank zu melden“, so Oehlschlägers Vorstoß.

Der Vorschlag betrifft immer mehr Bremer PolizistInnen: Waren es 1995 noch 120 BeamtInnen, die für Castor-Begleitung eingesetzt wurden, stieg die Zahl nach Aussage von Peter Luft, Sprecher des Innensenators, kontinuierlich an: 1998 waren bereits 217 Bremer BeamtInnen mit der Sicherung von Castor-Transporten betraut. Allerdings habe keine gesundheitliche Gefährdung bestanden. Den Vorschlag des Krankfeierns wollte Luft nicht kommentieren: „Der GdP-Vorsitzende muß wissen, was er tut.“

Martin Thomas, Sitznachbar Oehlschlägers auf dem Podium und innenpolitscher Sprecher der Grünen in der Bürgerschaft, freute sich über die „neue Qualität“ in der Debatte um den Widerstand gegen die Atompolitik. Der Grüne sprach sich dafür aus, die neuen Gemeinsamkeiten mit der Polizei stärker zu nutzen, um den Ausstieg aus der Atompolitik zu erreichen. Thomas: „Wenn selbst die Polizei das Vertrauen in Frage stellt, fehlt ein wichtiges Glied in der Kette zur Durchsetzung des Atomprogramms.“ Sein Vorschlag: Grün und Grün sollen in einer Demonstration gemeinsam auf die Straße gehen, wenn der nächste Transport kommt. Oehlschläger nahm die Einladung an. „Wir würden lieber auf der anderen Seite stehen statt diese Dinger zu begleiten, das müssen Sie mir glauben“, so der Vorsitzende der Gewerkschaft, in der in Bremen 80 Prozent der PolizistInnen organisiert sind.

Ursula Schönberger, atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, war skeptisch, ob andere Landesverbände der GdP den Vorschlag unterstützen würden. Doch Rückendeckung erhält Oehlschläger sowohl von seiner Bundesorganisation als auch von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Als gestern Umweltministerin Angela Merkel in Bonn ein weiteres Verbot von Castor-Transporten bekanntgab, wurden Forderungskataloge der beiden Gewerkschaften präsentiert, mit denen mehr Sicherheit des Begleitpersonals durchgesetzt werden soll. So sollen etwa die Strahlenschutz-Grenzwerte neu festgelegt werden, und BeamtInnen sollen auf Wunsch strahlenbiologisch untersucht werden. Ein Bundes-GdP-Sprecher kündigte an, daß die Gewerkschaft sich bis zur Vorlage eindeutiger Gutachten gegen die Transporte wehren wolle. Die GdP-Jugendorganisation forderte gar die Einstellung sämtlicher Transporte. Christoph Dowe

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