: Prozeß als Chance
■ Safwan Eid und seine Anwältinnen sehen erneutem Verfahren gefaßt entgegen
„Ich warte auf den Prozeß, weil ich da ein zweites Mal meine Unschuld beweisen kann.“ Safwan Eid sprach sich gestern selber Mut zu. Nur wenige Stunden zuvor hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe überraschend die Entscheidung verkündet, daß der Prozeß gegen den Libanesen neu aufgerollt werden muß, da kündigte Eid auch schon an: „Von mir aus kann es morgen losgehen.“ Auch Eids Anwältin Gabriele Heinecke war bemüht, der BGH-Entscheidung eine positive Seite abzugewinnen. Im ersten Verfahren gegen den Libanesen hatte sie bereits unter Beweis gestellt, daß sie nur schwerlich aus der Fassung zu bringen ist. Gestern verkündete sie schon siegessicher: „Wir begreifen das neue Verfahren als Chance, die wirklichen Täter herauszufinden.“
Im Juni vorigen Jahres hatte die Jugendkammer des Lübecker Landgerichts Safwan Eid vom Vorwurf freigesprochen, im Januar 1996 die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße in Brand gesetzt zu haben. Bei dem Feuer waren zehn Menschen getötet, 38 teils schwer verletzt worden. Die damalige Jugendkammer hatte darauf verzichtet, Protokolle abgehörter Gespräche zwischen Eid und seinem Bruder in den Prozeß einzubeziehen. Der BGH hingegen hielt es gestern „nicht für ausgeschlossen“, daß das Landgericht bei Verwertung der aufgezeichneten Gespräche eine Beteiligung des Angeklagten an dem Brandanschlag festgestellt hätte.
Das neue Verfahren muß nun vor dem Kieler Landgericht eröffnet werden. Es biete die Gelegenheit, so Heinecke, die „teilweise unzutreffenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Lübeck zu überprüfen und abzuändern.“ Insbesondere müsse erneut der Brandausbruchsort geklärt werden – entscheidend für die Frage, ob ein Brandanschlag von außen verübt wurde. Ihre Kollegin Barbara Klawitter betonte, daß auch das erneute Geständnis des Grevesmühleners Maik W. zu berücksichtigen sein werde. Safwan Eid, so die beiden Verteidigerinnen, sei der falsche Angeklagte im Prozeß um die Aufklärung des Brandes in Lübeck: „Allein gegen die Grevesmühlener Jugendlichen besteht ein dringender Tatverdacht.“ ee
Siehe auch Seiten 1, 2, 6, 9
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