piwik no script img

Safwan Eid muß wieder vor Gericht

■ Der Bundesgerichtshof hebt den Freispruch im Lübecker Brandprozeß auf. Im Gefängnis abgehörte Gespräche des Angeklagten mit seiner Familie hätten berücksichtigt werden müssen. Neuverhandlung jetzt vor anderem Gericht

Karlsruhe (taz) – Der Libanese Safwan Eid muß wegen des Brandanschlags auf ein Lübecker Asylbewerberheim im Januar 1996 erneut vor Gericht. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob gestern den Freispruch des Lübecker Landgerichts auf und ordnete eine neue Verhandlung an. Bei dem Brand waren zehn Menschen ums Leben gekommen.

Erfolgreich war damit die Revision der Familie El-Omari, die ebenfalls in der Asylunterkunft lebte und bei dem Brand einen Sohn verlor. Die Nebenkläger rügten, daß das Landgericht Abhörprotokolle mit Gesprächen Eids in der Haft nicht als Beweismittel hatte zulassen wollen. Es hatte den Raum der Haftanstalt, in dem sich der Libanese mit seinem Vater und seinen Brüdern traf, als eine Art „Wohnung“ eingestuft, was den Lauschangriff nach damaliger Rechtslage verbot.

Der BGH stellte gestern klar: „Die Besucherzelle einer Justizvollzugsanstalt ist keine Wohnung im Sinne des Grundgesetzes.“ Die Abhörprotokolle hätten deshalb als Beweismittel nicht abgelehnt werden dürfen. Gescheitert ist damit auch das Argument der Verteidigung, wonach der Staat das Vertrauen eines Häftlings mißbraucht, wenn er ihn ohne Bewachung Gespräche führen läßt und diese dann abhört. Tatsächlich, so betonte der Vorsitzende Richter Klaus Kutzer, waren bei allen Gesprächen Aufsichtsbeamte anwesend.

Insoweit kam das Urteil nicht überraschend. Für Erstaunen sorgte aber, daß der BGH diesen Fehler zum Anlaß nahm, ein neues Verfahren anzuordnen. Immerhin hatte sich die Bundesanwaltschaft dem Revisionsantrag verweigert: „Der Beweiswert dieser Protokolle ist so schwach, daß ein anderes Urteil ausgeschlossen werden kann“, hatte Bundesanwalt Gerhard Altvater noch am Mittwoch erklärt.

Der BGH allerdings wollte „nicht ausschließen“, daß der Freispruch gerade auf dem Verfahrensfehler beruhte. Auf den Inhalt der Tonbänder ging Kutzer dabei nicht weiter ein. Es schien, als würden dem obersten deutschen Strafgericht schon die vorliegenden Belastungsindizien für eine Verurteilung genügen. Zur Begründung zählte Kutzer sie noch einmal auf: Ein technischer Defekt sei vom Landgericht ebenso ausgeschlossen worden wie eine Brandstiftung von außen. Vielmehr sei das Feuer im Flur des ersten Stockes entfacht worden, und im Zimmer der Familie Eid habe man einen leeren Benzinkanister gefunden. Außerdem habe Safwan Eid auf der Fahrt ins Hospital zu einem Sanitäter gesagt: „Wir war'n 's“ und dabei einen Streit mit Mitbewohnern als Motiv angegeben. Auf dem Krankenhausgelände habe er seinen Kaftan „ohne nachvollziehbare Begründung“ in einen Container geworfen.

Safwan Eid beteuerte gestern erneut seine Unschuld: „Meinetwegen kann der Prozeß schon morgen beginnen.“ Seine Anwältin sagte, auch ein neues Verfahren könne nur zum Freispruch führen. Das Lübecker Bündnis gegen Rassismus erklärte, mit dieser „Fehlentscheidung“ setze sich der „skandalöse Umgang der deutschen Justiz mit dem wahrscheinlich folgenschwersten rassistischen Anschlag der Geschichte der Bundesrepublik fort“. Der Prozeß wird in Kiel stattfinden – vermutlich erst im kommenden Jahr (Az.: 3 StR 78/98). Christian Rath Analyse Seite 2

Bericht Seite 6

Kommentar Seite 9

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen