: Schönbohm: Geheimdienst ist schuld
■ Innensenator drückt sich vor politischer Verantwortung für die schwere Geheimdienstpanne bei vorschnellem Scientology-Verdacht
Nachdem die Innenverwaltung in der vergangenen Woche eingestehen mußte, daß der Verfassungsschutz ohne Beweise vorschnell die Mitgliedschaft eines Polizeidirektors bei der Scientology- Sekte bestätigt hatte, ist jetzt ein Streit um die politische Verantwortung für die Affäre entbrannt.
Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) versucht die Verantwortung auf den Verfassungsschutz abzuwälzen. Die „öffentliche Diskussion mit allen auch für Polizeidirektor D. und seine Familie abträglichen Konsequenzen“ sei „nicht durch das Innenressort verursacht“ worden und sei demnach auch nicht von diesem zu vertreten, erklärte Schönbohm gegenüber dem Spiegel. Auch CDU- Fraktionschef Klaus Landowsky warf sich jetzt für den Parteifreund in die Bresche: „Völlig schuldlos“ sei der Innensenator.
Doch so einfach wird sich Schönbohm nicht aus der Affäre ziehen können. Der für den Verfassungsschutz zuständige Staatssekretär Kuno Böse steht nicht bei Grundsatzentscheidungen im engen Kontakt mit den Verfassungsschützern, sondern war nachweislich in die Überprüfung der anonymen Vorwürfe gegen den Polizeidirektor involviert. So bewilligte Böse Sondermittel für Recherchen. Allein 10.000 Mark standen zur Verfügung, um die Mitgliederliste der Berliner Scientology zu kaufen. Doch auch dies mißglückte. Auch Schönbohm war einbezogen, seit im März die anonymen Anschuldigungen gegen den leitenden Polizeibeamten auftauchten. Der 53jährige ist seit Mittwoch voriger Woche voll rehabilitiert und wieder als Leiter des polizeilichen Lagezentrums tätig.
Das Landesamt für Verfassungsschutz will die Sache jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen. Laut Focus will der Geheimdienst Innenstaatssekretär Böse die Mitschuld an der schnellen Erstellung der Behördenauskunft geben. Als erste Konsequenz aus dem Skandal sollen laut Focus einige hochrangige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Kürze versetzt werden. Die 250 Mitarbeiter starke Behörde soll völlig umstrukuriert werden. Abteilungen sollen zusammengelegt, umbenannt und enger vernetzt werden.
Die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast äußerte gestern die Befürchtung, daß der Geheimdienst dadurch „noch stromlinienförmiger im Sinne von Schönbohm und Böse“ gemacht werden solle. Sie argwöhnt, daß kritischen Mitarbeitern auf diesem Weg Aufgaben entzogen würden. Der Umbau der Behörde sei bereits seit Monaten geplant, so Künast. Sie forderte, daß vor der Umsetzung zunächst die Ursachen für die schwere Panne geklärt werden müßten. Dorothee Winden
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