Gleicher als gleich

■ Medienwächter kritisieren: ARD und ZDF verstoßen ungestraft gegen Werberichtlinien

Jan Ullrich flitzt die Straße runter. Eine Stimme ruft: „Das Erste und T D1 präsentieren Ihnen die Tour de France.“ Ein Bild, ein Sponsorenhinweis: Jetzt sollte das Programm beginnen, die „Sportschau live“. Doch in deren Vorspann rasen schon wieder Telekom-Fahrer vorbei, und kein Mensch weiß, was nun Reklame ist und was Berichterstattung.

Eigentlich verlangen die Fernsehgesetze die strikte Trennung von Werbung und Programm. Doch zu fragen, ob ARD und ZDF dagegen verstoßen, könnte überflüssig sein – jedenfalls nach Ansicht der Landesmedienanstalten. Die, selber nur für die Kontrolle des Privatfernsehens zuständig, ärgert, daß für ARD und ZDF eine vergleichbare Kontrolle fehlt. „Die Öffentlich-Rechtlichen kontrollieren sich selbst“, mäkelt Detlef Kühn, Chef der sächsischen Medienanstalt. Bereits nach der Fußball-WM murrten die Medienwächter. Da habe sich mal wieder gezeigt, was sich ARD und ZDF so alles erlaubten, hieß es intern. Nur öffentlich wollen die Medienwächter keine konkreten Fälle anprangern, denn das wäre eine Kriegserklärung. Kritik ist gleichwohl unüberhörbar: ARD und ZDF würden für die Medienanstalten zum „Glaubwürdigkeitsproblem“, sagt Reinhold Albert, Chef der niedersächsischen Medienaufsicht.

Er könne doch schlecht RTL etwas verbieten, was die ARD unbeanstandet tue. „Verfassungswidrig“ sei das, schimpft gar Victor Henle, Chef der Thüringer Medienanstalt: Daß ARD und ZDF nicht sanktioniert würden, sei eine glatte „Verletzung des Gleichheitssatzes“.

Im öffentlich-rechtlichen Lager stößt der Groll auf Unverständnis. Daß ARD und ZDF die Gesetze einhielten, überwachten als Rechtsaufsicht die Landesregierungen, sagt Jürgen Betz, Jurist beim Hessischen Rundfunk, der sich in der ARD um Werbefragen kümmert. Zudem könnten die kommerziellen Konkurrenten ja vor Gericht gehen. Und dann seien da ja noch die Rundfunkräte als „interne Kontrolle“.

Er kenne keinen Fall, in dem Rundfunkräte einen Werbeverstoß gerügt hätten, höhnt Medienwächter Kühn: „Die sind immer auf der Seite ihres Intendanten.“ Für die Landesmedienanstalten sind ARD und ZDF schuld an der Entwicklung hin zu immer laxeren Werbevorschriften. Jüngstes Beispiel: die neuen Werberichtlinien für das Privat-TV. Danach dürfen Sponsoren nun nicht mehr nur vor und nach einer Sendung gezeigt werden, sondern auch vor und nach einer Werbeunterbrechung. Was auf dem Papier eine Erweiterung ist, war längst Praxis, seit das ZDF 1996 beim Film „Der Schattenmann“ vorpreschte und den Werbeblock mit Sponsorenreklame einrahmte. Medienwächter Kühn: „Die Verstöße bei ARD und ZDF versauen die Sitten bei den Privaten.“

Bei einem Gespräch mit ARD und ZDF im Herbst will der niedersächsische Medienkontrolleur Albert nach der Sommerpause „auf Gleichbehandlung drängen“. HR-Mann Betz kennt solche Gespräche schon. Zuletzt hätten die Herren von den Landesmedienanstalten „mit Akribie“ die Situation bei ARD und ZDF diskutiert, seien aber für Verstöße der Privaten „absolut blind“ gewesen. Die Landesmedienanstalten sollten erst mal vor der eigenen Tür kehren, sprich: bei den Privatsendern: „Da liegt genug Dreck.“ Georg Löwisch