Noble Docklands in Friedrichshain

Die alten Speicher an der Oberbaumbrücke will die Botag zu „Kreativräumen“ ausbauen. „Virtueller Denkmalschutz“ soll eine Initialzündung zum Umbau der Spreeufer geben. Stadtplaner bezweifelt Nachfrage  ■ Von Peter Sennekamp

Neues Leben will der Immobilieninvestor Botag in die seit 1994 stillgelegten Speicher am Friedrichshainer Spreeufer bringen. In dem 1913 neben der Oberbaumbrücke erbauten Getreidespeicher und dem 16 Jahre später als Lager für Eier errichteten Nachbarbau sollen „Kreativräume und Working-Lofts“ für etablierte Informationsdesigner der Luxusklasse, Dienstleister und Medienleute „im Schutz perfekter und unauffälliger Security“ eingerichtet werden.

Auf der gestrigen Pressekonferenz applaudierten die Gäste den Visionen des Vorstandsvorsitzenden der Botag, Rolf Lechner, der für 160 Millionen Mark rund 38.000 Quadratmeter Nutzfläche auf dem Filetstück am Ufer einrichten will. Die denkmalgeschützte Fassade des weiß-gelben Eierspeichers soll allerdings weichen. „Wir glauben nicht, daß die alte Fassade erhalten werden kann“, so Botag-Projektmanager Dietmar Lucht. Die Stahlträger seien angerostet. Zudem hat der Speicher nahezu keine Fenster, und ein Atrium läßt sich wegen der Brandschutzbestimmungen nicht in das Gebäude stemmen. Ohne die geplanten „lichtdurchfluteten Räume“ bleiben aber potentielle Nutzer aus.

Darum wollen die Gesellschafter ein Novum durchsetzen: „Wir möchten die alte Fassade auf der neuen zitieren“, versucht Lucht die Denkmalschützer zu umschiffen, „wir wollen virtuellen Denkmalschutz, indem wir auf Teilen einer zweiten Glaswand die alte Fassade im Siebdruck aufbringen.“ Eine Zustimmung der Denkmalschutzbehörde für den Umbau steht allerdings noch aus. Ob die Bauarbeiten wie geplant bis zum Jahr 2000 abgeschlossen werden können, ist somit noch fraglich.

Doch Botag-Chef Lechner glaubt an die Unwiderstehlichkeit seiner Pläne. „Das hier können Sie mit den Docklands in London vergleichen“, preist er die Mischung von luxoriösen Restaurants und Cafés an der anvisierten Spreepromenade direkt neben dem dort tätigen Schrotthandel und Industriehäfen. Ganz glaubwürdig klingt sein Wohlwollen gegenüber diesem Ensemble aus Schrott, Industrie, etablierten Dienstleistern, ihren „dienstbaren Geistern für Wäsche, Einkauf und Sicherheit“, wie auch Spree-Projektmanager Lucht veranschaulichte, aber nicht. Denn noch kurz zuvor hatte Lechner erklärt: „Mieter sollen ein angemessenens Äußeres auch auf der gegenüberliegenden Uferseite vorfinden“. Zumindest was das Kreuzberger Ufer betrifft, muß sich Lechner keine Sorgen machen. Am Ende der Cuvrystraße startet die Botag in Kürze den Bau eines Warenhauses mit angegliedertem Baumarkt.

Zwar waren in den aufpolierten Londoner Docklands kaum die angestrebten finanzkräftigen Mieter zu finden, doch für die Renovierung der Spree-Speicher sieht Lechner keine Probleme: „In London standen auch nur die Neubauten leer.“

Der Begeisterung der Botag-Investoren über die „Initialzündung“, die sie mit ihren Speicherhausplänen für die Ansiedlung weiterer Dienstleistungszweige erwarten, mochte Reinhard Meyer vom Stadtplanungsamt Friedrichshain gestern nicht folgen. In der „Oberbaum-City“, direkt hinter dem Friedrichshainer Spree-Ufer, hätte ein Investor für 30.000 Quadratmeter Büroflächen bereits die Baugenehmigung in der Tasche. „Wir sehen aber keine Umsetzung, weil nicht genug Nutzer auftreten“, dämpfte Meyer die Stimmung.

Doch die Botag will bereits für 50 Prozent der gesamten Speicherflächen feste Zusagen potentieller Mieter bekommen haben, bei Mietpreisen von 17 bis 27 Mark pro Quadratmeter. Und damit auch der Rest für die angestrebte Klientel attraktiv wird, träumt Lechner vom Shuttle-Flug direkt von der Wasserfläche der Spree zum Flughafen Tegel. Das sei doch eine „prima Sache“.