: Wie aus King Kong Godzilla wurde
Noch bevor Roland Emmerichs Hollywood-Godzilla in Europa sein Unwesen treibt, zeigen die Kinos Moviemento und Blow Up eine Reihe mit Godzilla-Filmen aus den legendären japanischen TOHO-Studios ■ Von Bettina Allamoda
Die erste Euphorie über Roland Emmerichs Godzilla ist schon ein wenig abgeklungen. Dennoch steht Deutschland ein echsenreicher Spätsommer bevor. Jetzt zeigt das Kreuzberger Moviemento gemeinsam mit dem Blow Up in Prenzlauer Berg ein eigenes Godzilla-Filmfestival, noch bevor der erste Godzilla-Film unter amerikanischer Flagge anläuft.
Insgesamt 17 Monsterfilme aus den legendären japanischen TOHO-Studios – der Brutstätte des Godzilla – werden in den nächsten zwei Wochen zu sehen sein. Am Anfang des japanischen Science- fiction-Horror-Films wurde 1954 das Monster Godzilla als eine Art Weiterverarbeitung der amerikanischen King-Kong-Figur entwickelt. Im Gegensatz aber zu King Kong, der als überlebensgroßer Gorilla keine „fremde“ Tierart darstellte, ist Godzilla eine zugleich futuristische wie prähistorische Riesenechse mit ungeheuren Kräften, die dem Bikini-Atoll entsprungen ist. Wie ein Drache kann sie Feuer speien, allerdings ist es radioaktiv.
Ein Wesen zwischen Kultur und Natur, auferweckt aus den Zeiten des Mesozoikums und doch ein Abfallprodukt des Atomzeitalters. Es wird schon im ersten Film durch den Einsatz einer technisch höherstehenden Waffe – des „Hydrooxygen-Zerstörers“, eines Spezialtyps der H-Bombe – vernichtet. Neben Godzilla entwickelte TOHO eine Vielzahl von komplexen Monsterfiguren und Geschichten, die alle die Filmgeschichte hindurch in friedlicher Koexistenz nebeneinander bestehenbleiben konnten. Man kann davon im phantastischen „Monster des Grauens greifen an“ (US-Titel: „Yog, the Monster from Space“) aus dem Jahre 1970 unter der Regie von Ishiro Honda oder in „Frankensteins Höllenbrut“ (Regie: Jun Fukuda) von 1971 einen plastischen Eindruck bekommen. Yog ist aus einem Weltallnebel entstanden, und unter der Höllenbrut muß man sich enorme Gummimassen vorstellen, die in verschiedenen Saurier-Ausführungen über eine Südseeinsel toben. Obwohl die Filme hierzulande als B-Pictures gelten, betrug das Budget für den ersten Godzilla-Film 1954 eine Million Dollar.
Für den japanischen Film war 1995 das Todesjahr von Godzilla. Damals wurde das Ungetier nach 22 legendären Filmen mit „Godzilla vs. Destroyah“ endgültig durch ein Metallmonster vernichtet. Tatsächlich hatte TOHO unterdessen die Godzilla-Weltrechte an ein US-amerikanisches Unternehmen verkauft... Man kann sich in der breiten, aber doch kompakten Auswahl des Festivals, das vom Pranke Filmverleih in Gelsenkirchen zusammengestellt wurde, ein Bild davon machen, wie sich der japanische Monsterfilm in Verlauf der ersten drei Jahrzehnte nie auf ein bloßes „Size does matter“ versteift hatte. In Japan wurde viel offener mit dem Genre experimentiert, obwohl es sich dort stets um Großproduktionen handelte.
Wie die Zuteilung zu Gut und Böse, Freund und Feind immer neu verhandelt wurde, so blieben auch die Storys, Figuren und Charaktere stets fließend, und sogar die Genderzuweisungen wurden schon in den achtziger Jahren erweitert. Dabei ähnelt in Japan die Entwicklung im Film dem generellen Umgang mit Technologie: Dort wird die „Übernahme“ eines bestehenden Patents oder einer Idee nicht als Diebstahl, sondern als eine „Ehre“ gegenüber dem Erfinder gewertet.
Auf der Basis kollektiver Arbeit besitzt die Autorschaft in der Produktion einen ganz anderen Stellenwert als in westlichen Gesellschaften. So wurden selbst TOHO- eigene ältere Filme, etwa aus den 60er Jahren, in späteren Produktionen der 90er Jahre zitiert und als Material benutzt. Man verknüpfte dabei die alten Storylines mit neuen Themen aus der Alltagskultur, brachte Op-art-Design mit Gentech-Parks zusammen oder ließ eine junge Frau mit einer Rose als Medium zu einem Biolante- Monster verschmelzen (leider fehlen bei diesem ersten Berliner Festival diesbezüglich Klassiker wie „Godzilla vs. Mothra“ von 1964, der 1992 als Remake in die japanischen Kinos kam). Egal, was Emmerich also mit seinem Godzilla angestellt hat – aussterben wird das Monster trotzdem nicht. Immerhin hat Godzillas Sohn Minya den letzten Film überlebt. Nun wird er mit ebenso beliebten Ungetümen wie Gamera das Erbe von Godzilla antreten können.
Godzilla-Filmfestival: Blow Up, Moviemento, 30.7.–12.8.
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