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■ Aktuelle Wahlkampf-WarnungHeute: Lebenslang Grün

Es sei hiermit eingeräumt: Allen Qualitäten zum Trotz, die dieser Zeitung nachgesagt werden, gehört die Service-Orientierung nicht unbedingt zu ihren Stärken. Stauwarnungen mögen manche Leser ebenso vermissen wie den Ratgeber „Europas schönste Riesenräder“.

Nachdem wir uns so oft dem Diktat der Servicegesellschaft verweigert haben, wollen wir heute mit dem Ergebnis hausinterner Analysen an die Bevölkerung herantreten: Bitte umfahren Sie in den kommenden Tagen weiträumig alle Pressemeldungen, in denen die Worte „Lebenslänglich“ (wie in „Freiheitsstrafe“) und „Grün“ in allen Beugungen vorkommen („Grüne“, „Grünes Parteiprogramm“ etc.). Es handelt sich dabei um eine gestern unvermutet aufgetretene Wahlkampfblähung, die in ihrer häufigsten Form so aussieht: „Scharfe Kritik aus Union und SPD an grünen Plänen für eine Abschaffung der lebenslangen Haft“.

Seinen Anfang nahm alles bei einer Pressekonferenz der grünen Fraktionssprecherin Kerstin Müller am zurückliegenden Mittwoch. Wie es die Art von Politikern ist, stellte sie dabei allerlei Forderungen auf, die bis heute wieder vergessen sind. Dann allerdings ließ sie sich von der ansonsten wenig beachteten Rheinischen Post zum grünen Parteiprogramm befragen. Unerschrocken trotz Fünf Mark und Tempo 100 bestätigte Müller dem Reporter, was seit 1987 im Programm geschrieben steht: Lebenslänglich gehört abgeschafft. Ein Glückstag für die Rheinische Post, die sich allenthalben zitiert fand. Vergeblich versuchte Müllers Pressesprecher Dietmar Huber nachzuschieben, daß die Grünen bei rückfallgefährdeten Gewalt- und Sexualstraftätern für die Sicherheitsverwahrung plädieren, vergeblich wiederholte Grünen-Chef Jürgen Trittin tags darauf den Hinweis. Ein Thema war in den Medien, bei dem es irgendwie um Grüne und Sexualverbrecher zu gehen schien. Alles Weitere lief, wie Wahlkampf eben läuft: Die Generalsekretäre von CDU und CSU ereiferten sich, ebenso Schröders Frau für Justiz, Herta Däubler-Gmelin.

Als service-orientierte Zeitung bleibt uns nur, unseren Lesern ein Gewinnspiel anzubieten: Wie viele Tage dauert es noch, bis die Grünen eine Info- Hotline zum Thema Strafvollzugsreform einrichten? Patrik Schwarz

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