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Volkswagen droht Klage in den USA

Gerade glaubte VW, mit einem Fonds für Zwangsarbeiter seine NS-Vergangenheit ad acta zu legen. Der Konzern hatte nicht mit Anwalt Melvin Weiss gerechnet, der bereits Schweizer Großbanken in Bedrängnis brachte  ■ Von Volker Probst

Berlin (taz) – Voraussichtlich innerhalb der nächsten vier Wochen steht dem Volkswagen-Konzern eine Sammelklage vor einem US-amerikanischen Gericht ins Haus. Der New Yorker Anwalt Melvin Weiss kündigte an, das Unternehmen auf Zahlungen in ungenannter Höhe zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter zu verklagen. Weiss will die Klage auf jeden Fall einreichen – unabhängig von der Ankündigung des VW- Konzerns, im September einen Fonds für die zwischen 1944 und 1945 in den Wolfsburger Werken eingesetzten Zwangsarbeiter zu schaffen.

„Wir haben die Pläne für einen Fonds bei VW studiert und sind zu dem Schluß gekommen: Das ist nicht annähernd ausreichend“, sagte Melvin Weiss der taz. Er habe den Eindruck, daß VW nur eine geringe Geldsumme bereitstellen will, die für eine angemessene Kompensation der Opfer nicht genüge. Melvin Weiss geht davon aus, daß die von ihm angedrohte Klage VW überhaupt erst zur Einrichtung des Fonds motiviert hat: „Wir haben unsere Klage schon angekündigt, bevor VW die Einrichtung des Fonds beschlossen hat“, sagt Weiss. Der VW-Konzern sei über seine Absichten informiert gewesen. Der Sprecher des VW-Vorstands, Klaus Kocks, war trotz mehrmaliger Anfrage nicht zu einer Stellungnahme bereit.

Bislang waren die Pläne des New Yorker Anwalts in der Bundesrepublik nicht öffentlich bekannt – erstmals berichtete darüber die deutsch-jüdische Zeitschrift Aufbau mit Sitz in New York. Bekannt war lediglich, daß eine Gruppe von dreißig in Israel lebenden Personen eine Klage gegen Volkswagen vorbereitet. Mit dieser Gruppe, die in Deutschland von Klaus von Münchhausen vertreten wird, „haben wir nichts zu tun“, so Weiss. Er repräsentiere mit seiner Klage nicht nur jüdische Personen: „Wir haben Klienten in der ganzen Welt – Opfer aus Konzentrationslagern, die in deutschen Unternehmen Sklavenarbeit verrichteten“, sagt Weiss.

Melvin Weiss ist auch in die Sammelklagen von jüdischen Überlebenden des NS-Terrors gegen Schweizer Banken involviert. Mindestens 1,5 Milliarden US- Dollar fordert Weiss von den Schweizer Banken als Kompensation für ihre Geschäfte mit jüdischem Vermögen, das die Nazis geraubt hatten. Auch ehemalige Zwangsarbeiter vertritt er bereits vor Gericht: Im März dieses Jahres reichte er Klage gegen den US- amerikanischen Automobilkonzern Ford ein, der während der NS- Diktatur in seinen Kölner Werken Zwangsarbeiter eingesetzt hatte. Das Verfahren gegen Ford läuft bereits.

Die Klage gegen VW soll nun der Auftakt zu einer Reihe von Prozessen gegen Unternehmen sein, die ihren Firmensitz in Deutschland haben. „Wir wollen gegen mindestens 10 bis 15 Unternehmen Klage einreichen – gegen alle großen Unternehmen, die Sklavenarbeiter eingesetzt haben“, sagt Weiss. Als Beispiele, die folgen könnten, nennt er die Konzerne Krupp und Daimler-Benz. Fraglich ist allerdings, welche Konsequenzen eine Klage vor einem US-amerikanischen Gericht für die deutschen Unternehmen hätte. Grundsätzlich steht es in den USA zwar jedem frei, sich mit einer Klage an ein Gericht zu wenden. Doch das Gericht muß sich für zuständig erklären. Die endgültige Klärung der Zuständigkeit kann mehrere Jahre dauern. Dies ist auch der Grund, weshalb Weiss seine Klage gegen VW noch zurückhält: Im Moment sucht er nach einem Gericht, bei dem die Chancen hoch sind, daß es sich für zuständig erklärt.

Der Klage kommt somit in erster Linie eine Bedeutung als Drohgebärde zu. Weiss hofft damit, VW zu größeren Zugeständnissen an ehemalige Zwangsarbeiter zu bewegen. Zudem will er Anstoß geben für eine „universelle Lösung“ der Zwangsarbeiter- Problematik, bei der die deutsche Bundesregierung die Verantwortung übernehmen müsse.

Wie diese Lösung aussehen soll, wollte Weiss nicht kommentieren: „Wir brauchen erst mehr Informationen über die Zahl der noch lebenden Zwangsarbeiter“, so Weiss. Ein Vorschlag, der Weiss' Vorstellungen entsprechen könnte, ist in Bonn bereits im Gespräch. Bündnis 90/Die Grünen hatten Ende vergangenen Jahres vorgeschlagen, eine Bundesstiftung einzurichten, in die Bund und Unternehmen einzahlen und über die die Ansprüche der ehemaligen Zwangsarbeiter befriedigt werden.

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