Maßgeschneiderte Jobs statt Stütze

Die niederländische Arbeitsagentur Maatwerk will in den nächsten Monaten 240 SozialhilfeempfängerInnen aus Wilmersdorf eine dauerhafte Arbeit vermitteln. Die privaten Vermittler machen versteckte Jobs bei kleinen und mittleren Betrieben ausfindig  ■ Von Julia Naumann

Rund 240 SozialhilfeempfängerInnen aus Wilmersdorf sollen in den nächsten zwölf Monaten wieder eine dauerhafte Anstellung bekommen. Erstmalig in Berlin vermittelt die niederländische Arbeitsagentur Maatwerk seit Anfang Juli StützeempfängerInnen in den regulären Arbeitsmarkt – mit maßgeschneiderten, langfristig angelegten Jobs. „Wir haben uns an Maatwerk gewandt, weil wir mit den sonstigen Eingliederungsangeboten total unzufrieden waren“, sagt Martina Schmiedhofer, bündnisgrüne Sozialstadträtin in Wilmersdorf. Andere Programme hätten zuwenig Erfolge gezeigt (siehe Kasten).

Das Unternehmen Maatwerk, das in Hamburg seit 1996 bereits rund 500 Jobs vermittelt hat, geht bei der Arbeitssuche systematisch vor: Von den 7.300 Wilmersdorfer SozialhilfeempfängerInnen hat das Sozialamt 950 ausgesucht, die als „arbeitsfähig“ gelten. Bei den anderen handelt es sich um Kinder, Senioren oder Erwerbsunfähige. Alle 950 werden nach und nach in das Wilmerdorfer Sozialamt, wo Maatwerk sitzt, eingeladen – und dort von einem der sieben VermittlerInnen in einem ersten „Diagnosegespräch“ unter die Lupe genommen. Eine Pflicht dazu, so Schmiedhofer, gebe es nicht: „Wir können niemanden zwingen, eine private Arbeitsvermittlung zu besuchen. Jedoch müssen sich diese Sozialhilfeempfänger dann selbst um Jobs kümmern.“ Werden weitere Arbeitsangebote abgelehnt, kann es auch zu Leistungskürzungen kommen.

Die Diagnosegespräche sind sehr aufwendig: „Wir nehmen die persönlichen Daten auf, fragen intensiv nach der Motivation und beruflichen Qualifikation“, sagt Projektleiterin Renate Erxleben. Erst wenn ein detailliertes Bild des Sozialhilfeempfängers entwickelt worden ist, begibt sich Maatwerk auf Jobsuche. „Wir wissen dann ganz genau, was derjenige kann und was er will und damit wenden wir uns an die Betriebe“, so Erxleben. Ziel der „maßgeschneiderten“ Agentur sei es, „versteckte“ Jobs zu akquirieren. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Laut Maatwerk laufen 60 bis 70 Prozent der offenen Stellen in kleinen bis mittleren Betrieben nicht übers Arbeitsamt und werden nicht in Zeitungen inseriert. In den Betrieben wird ein Profil des möglichen Arbeitsplatzes aufgenommen. Dabei wird auch sondiert, ob der potentielle Kollege in das Team paßt.

Von Maatwerk profitieren aber nicht nur die SozialhilfeempfängerInnen, sondern auch die Arbeitgeber: Denn gerade kleine Unternehmen ohne Personalabteilung, so Erxlebens Erfahrung, hätten häufig Schwierigkeiten, geeignete ArbeitnehmerInnen zu finden. Für diese sei die Maatwerk-Vermittlung deshalb eine Arbeitserleichterung: weil sie selbst nicht suchen müßten und durch das präzise Profil den Bewerber genau kennenlernten. „Das baut Vorurteile und Hemmungen ab, Langzeitarbeitslose einzustellen.“ Die Kunst dieser Arbeitsvermittlung bestehe darin, „das versteckte menschliche Kapital und die versteckten freien Stellen zueinanderzubringen, so die Maatwerk-Philosophie. Das geschehe über gezielte Kontaktaufnahme mit Betrieben, denen die potentiellen Arbeitnehmer angeboten werden und mit Hilfe eines Netzwerkes von Firmen und Interessenten, das momentan aufgebaut werde.

Vermittelt Maatwerk erfolgreich einen Hilfeempfänger, erhält die Firma, die auch in Finnland und Ungarn tätig ist, 6.000 Mark Prämie. Er folgreich bedeutet, daß der Vermittelte nach sechsmonatiger Probezeit eine feste Stelle oder zumindest einen Zeitvertrag in der Firma erhält. In dieser Zeit wird der Arbeitnehmer von Maatwerk nachbetreut. „Falls es Probleme gibt, sind wir gleich zur Stelle und können vermitteln“, sagt Leiterin Erxleben. Die Prämie wird aus dem Wilmersdorfer Sozialhilfeetat bezahlt. Kosten wie die Gehälter für die Vermittler, zahlt Maatwerk selbst.

Maatwerk hat sich verpflichtet, innerhalb von einem Jahr 240 langfristige Jobs zu vermitteln. Hierbei sollen aber nicht unbedingt die bestqualifiziertesten Hilfeempfänger vermittelt werden, sondern „querbeet“: „Nicht die Qualifikation, sondern die Motivation ist für die Vermittlung entscheidend“, sagt Stadträtin Schmiedhofer. Bei Sozialhilfeempfängern, die nicht vermittelt werden können, ist Maatwerk verpflichtet, dem Sozialamt Qualifizierungsvorschläge zu machen. Mit der Wiedereingliederung könnte der Bezirk im ersten Jahr knapp 2,2 Millionen Mark sparen: 1,44 Millionen Mark würde die Vermittlungsprämie kosten, die ansonsten fällige Sozialhilfe jedoch rund 3,6 Millionen.