: CDU sitzt Schäuble im Nacken
■ Die Union dementiert den Eindruck, daß der Fraktionsvorsitzende nicht mehr Kanzlerkandidat in der Nachfolge Kohls sein wolle. Schäubles Frau hatte Debatte ausgelöst
Bonn (Reuters) – Nach der Unions-Fraktion hat auch die CDU am Freitag versichert, Unionsfraktionschef, Wolfgang Schäuble (CDU) stehe weiter als potentieller Kanzlernachfolger zur Verfügung. CDU-Generalsekretär Peter Hintze sagte vor Journalisten in Bonn, er sehe keine Anzeichen dafür, daß Schäuble aus dem Kreis möglicher Nachfolger für Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ausscheide.
Entsprechende Spekulationen in Medienberichten waren durch ein Interview mit Schäubles Ehefrau Ingeborg ausgelöst worden. Darin hatte sie Zweifel angemeldet, ob ihr Mann als Rollstuhlfahrer Kanzler werden könne. Sie hoffe, so hatte Frau Schäuble gesagt, „daß die Frage sich gar nicht erst stellt“. Da gehe es ihr wie ihrem Mann.
Dieses Interview hatte in der Union für Irritationen gesorgt, zumal der SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder zeitgleich mit der Veröffentlichung erklärt hatte, er würde im Falle einer Großen Koalition lieber mit Verteidigungsminister Volker Rühe als mit Schäuble zusammenarbeiten. Dies war von der Union als Wahlkampftaktik abgetan worden. Die Äußerung von Frau Schäuble führte hingegen zu einem Dementi des Bundeskanzleramtes. Dort wurde die Mutmaßung, Schäuble stünde nicht mehr als Nachfolger Kohls zur Verfügung, als schwachsinnig bezeichnet. In der CSU führte das Interview zur Verärgerung. Der CSU-Vorsitzende Theo Waigel nannte die Diskussion über eine Kanzlerschaft Schäubles überflüssig. Er sagte gestern in München: „Wir wählen einen Kanzlerkandidaten, und der ist Kanzler.“ Im übrigen habe nicht Schäuble, sondern seine Frau das Interview gegeben. „Das ist ihre Sache. Die Politik und die Politiker tun gut daran, das unkommentiert stehen zu lassen.“
Hintze betonte, die Frau Schäuble habe lediglich ihre Sorge über die Belastungen für ihren Mann schildern wollen, die ein Amt wie das des Bundeskanzlers mit sich bringen würde. Die Deutschen seien grundsätzlich bereit, daß auch ein Mann im Rollstuhl Kanzler werden könne. „Ich glaube, daß die Körperbehinderung keinen Zweifel aufkommen läßt, was seine (Schäubles) Person und Fähigkeiten betreffen.“ Hintze warf SPD und Grünen vor, Spekulationen über die Kanzlernachfolge und die Bildung einer großen Koalition zu schüren, um der Union zu schaden.
Die SPD hat aus den Äußerungen von Ingeborg Schäuble geschlossen, daß der Unionsfraktionschef von Bundeskanzler Helmut Kohl abrückt. Wolfgang Schäuble wolle „nicht mehr Kronprinz von Kohls Gnaden“ sein, erklärte SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering gestern.
Wenn Schäuble wirklich CDU- Vorsitzender werden wolle, so Müntefering, dürfe er die Wahl nicht mit Kohl verlieren, sondern müsse sich „freibaggern aus der Umklammerung des großen Mannes“. Kommentar Seite 10
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