: Zwei neue Gesichter in Karlsruhe
Am Bundesverfassungsgericht scheiden eine Richterin und ihr Kollege aus. Beide standen für die politische Mitte. Nachfolger sind erneut ein Mann und eine Frau ■ Aus Freiburg Christian Rath
Am Bundesverfassungsgericht stehen Personalwechsel ins Haus. Im Zweiten Senat, der unter anderem für das Asylrecht zuständig ist, scheiden demnächst die beiden Richter Konrad Kruis und Karin Graßhof aus. Beide markieren die politische Mittelposition des eher konservativen Senates, so daß eine Neubesetzung das politische Klima in Karlsruhe verändern könnte.
Nach einem bisher unbestätigten Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) stehen die Nachfolger in Bonn bereits fest. Für Karin Graßhof soll die Frankfurter Universitätsprofessorin Lerke Osterloh nachrücken, auf Konrad Kruis dürfte Siegfried Broß, ein Zivilrichter am Bundesgerichtshof (BGH) folgen. Osterloh ist derzeit Professorin für Öffentliches Recht und Steuerrecht. Die 53jährige gilt in Frankfurt als umgänglich und durchsetzungsfähig. Politisch steht sie den Sozialdemokraten nahe, ist aber nach Angaben der FAZ parteilos. Aus ihren Veröffentlichungen geht unter anderem hervor, daß sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen Öko-Steuern nicht teilt. Außerdem gilt sie als frauenpolitisch interessiert und hält Frauenförderung für zulässig, um echte Chancengleichheit zu schaffen. Auch Quotenregelungen seien dabei, so ihre Aussage in einem der führenden Grundgesetzkommentare, „als ultima ratio“ in Betracht zuziehen.
Der 52 Jahre alte Broß, offenbar ebenfalls parteilos, hat sich wissenschaftlich vor allem mit Fragen des Baurechts und der Vergabe öffentlicher Aufträge beschäftigt. Er war schon früher als Verfassungsrichter im Gespräch. Ein Hardliner scheint auch er nicht zu sein. So hat er Gerichte kritisiert, die den Anwohnern von Asylheimen bevorzugten Rechtsschutz zukommen ließen.
Die Richterwahl dürfte während der letzten Sitzungswoche des Bundestags Anfang September über die Bühne gehen. Ein genauer Termin steht aber noch nicht fest. Mit der Ernennung der Karlsruher Neulinge dürfte sich Bundespräsident Herzog dann aber etwas Zeit lassen, denn Karin Graßhof ist derzeit vertretungshalber im Ersten Senat mit dem bayerischen Abtreibungsrecht beschäftigt, und Herzog wird dieses heikle Verfahren wohl kaum durch einen Richterwechsel stören wollen. Im Zweiten Senat spielten Kruis und Graßhof oft das Zünglein an der Waage. Graßhof war zwar von der SPD nominiert worden, tendierte aber häufig zu den Konservativen – etwa im Abtreibungsrecht und bei Bundeswehreinsätzen im Ausland. Kruis dagegen ist CSU-Mitglied, stimmte aber schon mal mit den Linken im Senat um Präsidentin Jutta Limbach. Meist allerdings fanden sich Graßhof und Kruis gemeinsam an der Seite des starken Konservativen Paul Kirchhof, was dem Zweiten Senat seine spezifische Färbung gab. Die tendenzielle Liberalität des Ersten Senats ist dagegen mit der Abtretung eines Unions-Vorschlagsrechts an die FDP zu erklären.
Nach der Wahl von Osterloh und Broß könnte es im Zweiten Senat häufiger zu Patt-Situationen kommen – vorausgesetzt, daß Lerke Osterloh weniger häufig zu konservativen Positionen neigt als ihre Vorgängerin. Ein echter Klimawandel wird an diesem Senat allerdings erst dann möglich sein, wenn der von vielen als dominant empfundene Richter Paul Kirchhof im nächsten Jahr ausscheidet.
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