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Kein Lebensabend vor einer „Knastmauer“?

■ Eine Nachbarin erwirkt den Baustopp an der Emder Kunsthalle / Die Klägerin kritisiert die Architektur

Emden. Die Bauarbeiten an der Emder Kunsthalle ruhen wieder. Der für Mittwoch geplante Start des Teilabrisses der alten Kunsthalle wurde nach Angaben der Sprecherin der Kunsthallen-Stiftung Eske Nannen verschoben, nachdem ein Eil-Antrag gegen die von der Stadt Emden erteilte Baugenehmigung angekündigt wurde.

Die in Frankfurt/Main lebende Tochter und Erbin einer 82jährigen Grundstücksbesitzerin in der Nachbarschaft der Kunsthalle hatte in der vergangenen Woche am letzten Tag der Einspruchsfrist vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg Klage erhoben. Bereits im Januar hatte dieselbe Klägerin per Eil-Antrag einen vorübergehenden Baustopp erwirkt.

Die Kritik seiner Mandantin, die mit einem Architekten verheiratet ist, richte sich nach Angaben des Anwalts in erster Linie gegen die „erdrückende Wirkung“ des geplanten Erweiterungsbaus. Die Klägerin wolle „unter Umständen“ ihren Lebensabend in ihrem Elternhaus verbringen und müßte dann in etwa 30 Metern Entfernung auf eine zwölf Meter hohe Hauswand blicken, die mit einer Gefängnismauer vergleichbar sei.

Diese mit Architekturschelte begründete Klage hat unterdessen nicht nur im Umfeld der Kunsthalle Verwunderung ausgelöst. Architekten der neuen und alten Kunsthalle sind Friedrich und Ingeborg Spengelin aus Hannover, die seit mehr als vier Jahrzehnten zu den renommiertesten deutschen Architekten und Städteplanern zählen.

„Gefängnismauern sehen normalerweise etwas anders aus“, kommentierte Spengelin (73), emeritierter Professor für Raumkunst und Städteplanung an der Uni Hannover, am Donnerstag auf Anfrage die Wortwahl des Anwalts der Klägerin. Der Vergleich mit der Gefängnismauer betrifft nach Angaben von Spengelin ein aus dem stark gegliederten Bauvolumen hervorgerücktes, sechs Meter breites gläsernes Treppenhaus, das an seiner höchsten Stelle knapp zehn Meter aufragt.

Seine Mandantin wolle die erweiterte Kunsthalle nicht „verhindern“, sagte ihr Anwalt. Sie habe nur „bei der Gestaltung mitreden wollen“. Das sei ihr nicht ermöglicht worden. Das wiederum erstaunt Friedrich Spengelin und die Sprecherin der Kunsthallen-Stiftung Eske Nannen. Trotz mehrfacher Einladungen habe das Ehepaar aus Frankfurt/Main an keinem Treffen der Kunsthallen- Nachbarn mit dem Architekten und den Emder Stadtplanern teilgenommen. Mit der Klägerin habe es bislang ausschließlich Gespräche über einen eventuellen Verkauf ihres Grundstücks gegeben, heißt es in Emden. dpa

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