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Abschirmende Abschreckung

Mit Hilfe einer neuen Abschirmstation will Justizsenatorin Peschel-Gutzeit die Gewaltstrukturen in „Santa Fu“ aufbrechen  ■ Von Elke Spanner

Körperliche Gewalt führt nicht nur ins Gefängnis hinein. Sie lebt auch darin weiter. Begünstigt durch den Drogenkonsum vieler Gefangener, haben sich in „Santa Fu“, der Strafanstalt für Langzeitgefangene in Fuhlsbüttel, hierarchische Strukturen etabliert. Gerade der Drogenhandel wird hier oft mit rüden Methoden durchgesetzt. Um dem Einhalt zu gebieten, hat Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) nun eine „Abschirmstation“ eröffnet.

Unter verschärften Haftbedingungen sollen in den 13 Einzelzellen vor allem knastinterne Drogenhändler untergebracht werden. Abgeschirmt von den restlichen rund 500 Gefangenen werden in die Station aber auch Häftlinge gesteckt, die Mitgefangene bedroht oder mißhandelt haben. Sinn und Zweck des neuen Gefängnistrakts ist es, so Peschel-Gutzeit, „abzuschrecken“.

Die Gefangenen in der Abschirmstation haben zwar untereinander Kontakt, sind aber von den übrigen Gefangenen total isoliert. Arbeit verrichten sie nicht in den gemeinsamen Werkstätten, sondern allein in ihrer Zelle. Auf den gemeinsamen Flur dürfen sie nur für einzelne Stunden am Tag. Hinzu kommt eine Stunde Hofgang, ebenfalls auf einem eigens dafür abgegrenzten Terrain. Der Besuch von Angehörigen ist auf eine Stunde im Monat beschränkt – und hinter eine Trennscheibe verbannt.

Peschel-Gutzeit hofft, mit Hilfe der Station die Gewaltspirale in Santa Fu zu durchbrechen, indem sie knastbekannte Drogendealer und deren „gewalttätige Helfer“ aus den etablierten Strukturen herauszieht. Die Idee für dieses Modell hat sie aus ihrer Amtszeit als Justizsenatorin in Berlin mitgebracht: „Dort haben wir sehr gute Erfahrungen gesammelt.“

Nicht nur das Alltagsleben der Gefangenen wird von Gewalt mitbestimmt. Gewalt und Drogen diktieren auch die interne Organisation der Fuhlsbütteler Haftanstalt. Gefangene, die der Hierarchie unter den Insassen entfliehen oder dem Drogenkonsum ausweichen wollen, können sich aus dem regulären Vollzug in die „drogenreduzierte Abteilung“ verlegen lassen. Deren Verbindungstür zum Haupthaus ist abgeschlossen. Die Abteilungsleiterin bezeichnet ihren Flur gar als „Schutzraum“. Und der ist stets voll belegt.

Man sieht dem Gefängnis auch heute noch an, daß es 1906 als Zuchthaus errichtet wurde. Zwar werden die Stationen nun nach und nach renoviert, doch die ursprüngliche Bauweise ist unübersehbar. KriminalistInnen fordern schon lange, daß Zellen Fenster in Sichthöhe haben müßten. In Santa Fu sind es Oberlichter, teils sogar nur mit undurchsichtigem Milchglas gefüllt. Auf dem steinernen, ausgetretenen Boden zwischen den Zellen sammelt sich Wasser in kleinen Lachen, und die schweren Holztüren zu den Hafträumen erinnern an die Verschläge von mittelalterlichen Burgverliesen.

An Verliese erinnern auch die Stationen, in denen sich Häftlinge wiederfinden, die bei körperlichen Auseinandersetzungen mitgemischt haben. Vollbelegt ist etwa die sogenannte „Sicherungsstation“. Hier verbüßen Gefangene in Totalisolation ihren „Strafarrest“, der bis zu einem Monat andauern kann. Im gleichen Trakt finden sich auch zwei Beobachtungszellen mit Türsichtklappen für die Wärter. Und wer „einen Haftkoller“ bekommt, so erläuterte gestern ein Vollzugsbeamter, wer also nur noch um sich schlägt und „sich selbst oder andere gefährdet“, kommt in die „sichere Beruhi-gungszelle“. Die Besänftigung erfolgt allerdings nicht psychologisch. In dem winzigen Kellerraum wird der cholerische Gefangene ans Bett gefesselt – mit Handschellen, Brustgurt, Hüftriemen und Fußfesseln.

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