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Greenpeace erwägt Gründung von Stromfirma

■ Der Grund: Stromkonzerne behinderten Verkauf umweltfreundlicher Elektrizität

Hamburg (taz) – Wenn die Stromkonzerne ihren Kunden alternativ nicht auch Ökostrom anbieten, will Greenpeace ihnen direkt Konkurrenz machen: „Wir behalten uns vor, im Herbst eine eigene Firma zur Stromversorgung zu gründen“, kündigte Greenpeace-Geschäftsführer Walter Homolka gestern in Hamburg an. Zweck des Unternehmens sei, „die Verbraucher unabhängig zu machen vom Atomstrom“. Denn die Stromversorger „blockieren“ die Nutzung erneuerbarer Energien wie Wind, Sonne und Biomasse, sagte Homolka, indem sie von den alternativen Stromlieferanten unfaire Preise für die Benutzung ihrer Stromnetze verlangten.

Statt dessen sollen Kunden, die sich für Greenpeace oder einen anderen der bereits bestehenden umweltfreundlichen Stromanbieter (siehe Kasten) entscheiden, künftig die Gewißheit haben, daß sie „sauberen Strom“ beziehen. „Sauber“ bedeutet nach den Kriterien der Umweltschutzorganisation, daß der erzeugte Strom sowohl klimafreundlich als auch atomstromfrei sein muß: Durch einen Mix aus regenerativer Erzeugung (Wind, Sonne, Wasser, Biomasse) und Stromerzeugung in Kraft-Wärme- gekoppelten – und damit besonders effektiven – Erdgasanlagen.

Auch müßten Private wie Gewerbekunden keine utopischen Preise fürchten: „Der Strom wird bezahlbar sein“, sagte Homolka. Mit „etwa 36 Pfennig“ pro Kilowattstunde liege der Alternativ- Strompreis zwar „20 Prozent über dem Bundesdurchschnitt“. Das jedoch sei allein auf die ungerechten Benutzungsgebühren des Stromnetzes zurückzuführen. Die Bundesregierung, so die Kritik, habe es Industrie und Energiekonzernen selbst überlassen, die Preise für die Netzbenutzung festzulegen. Das führe dazu, daß Windmüller zum Teil das Doppelte des Preises zahlen müßten, zu dem die Energiekonzerne ihren eigenen Atomstrom durchs Netz jagen.

In den kommenden Wochen will Greenpeace zunächst mit einer Postkarten-Aktion namens „Aktion Stromwechsel“ die Bereitschaft der Verbraucher ermitteln, zu einem „grünen Versorger“ zu wechseln.

Das Interesse ist groß, wie gestern gleichzeitig Hermann Scheer, der Präsident der Europäischen Sonnenenergievereinigung Eurosolar, in Bonn erklärte: Demnach begrüßen neun von zehn Bundesbürgern die Möglichkeit zur Bezug von Ökostrom. Dies ergab eine Umfrage der Infas-Sozialforschung. Sechs von zehn erklärten sich bereit, dafür mindestens 15 Prozent mehr zu bezahlen.

Es gibt inzwischen eine Reihe von Firmen, die künftig Ökostrom, etwa rein aus erneuerbaren Quellen, anbieten wollen. Doch deren Namen zu erwähnen und sich einzugestehen, daß die Idee eines eigenen Stromkonzerns so neu nicht ist, war Greenpeace gestern dann wohl doch zuviel der Verbrauchernähe. Heike Haarhoff

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