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„Manche Fleischer finden keine Lehrlinge“

■ Jobst Hagedorn, Ausbildungsexperte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, klagt über offene Stellen in manchen Bereichen und mangelndes Basiswissen bei den Azubis

taz: Herr Hagedorn, Sie behaupten, daß sich aus den Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit kein alarmierender Lehrstellenmangel herauslesen lasse, weil nicht alle angebotenen Lehrstellen gemeldet seien und sich viele Bewerber nach Antritt einer Lehrstelle oder eines Studiums nicht abmelden würden. Gibt es denn keine Problembereiche auf dem Ausbildungsmarkt?

Jobst Hagedorn: Sicherlich gibt es regionale, aber auch berufliche Problemfälle – und die Situation ist da häufig auch weiterhin schwierig. In Mecklenburg-Vorpommern ist es beispielsweise viel schwerer für Jugendliche, mobil zu sein und Ausbildungsplätze zu finden. Sie können sich nicht wie im Ruhrgebiet einfach in die Bahn setzen und statt in Essen in Oberhausen arbeiten. Auf der anderen Seite kann ich Ihnen auch sicher in Mecklenburg-Vorpommern einen Fleischerbetrieb nennen, der keine Lehrlinge findet. 5.000 Stellen gab es bei Fleischern bundesweit im vergangenen Jahr, aber nur 1.700 Bewerber. Natürlich ist verständlich, daß smarte Berufe wie Bankkaufmann beliebter sind und die Bewerber frustriert sind, wenn sie dort keine Lehrstelle erhalten. Aber unter der Situation leiden auch die Betriebe in den Branchen, die keine Lehrlinge finden.

Die Arbeitgeber beklagen, daß die Leistungen der Jugendlichen immer schlechter werden. Was sind denn die größten Schwachpunkte?

Vor allem das Basiswissen in Mathe und Deutsch fehlt, aber nicht nur bei Hauptschülern, sondern auch bei Gymnasiasten. In Betrieben braucht man selten Kurvendiskussionen, aber oft den Dreisatz. Da scheitern schon viele. In einer neuen Umfrage unseres Verbandes meinen 64 Prozent von 800 Unternehmen, daß die Leistungen immer schlechter werden. Außerdem beklagen immer mehr, daß die Bewerber keinen blassen Schimmer von ihrem Beruf haben. Und das liegt meiner Meinung nach hauptsächlich an der fehlenden Motivation in der Schule. Die Angst vor Veränderung und neuen Entwicklungen ist in der Schule sehr groß – und entsprechend auch bei den Schülern.

Die neuen Ausbildungsberufe haben hochkomplexe Lernziele und geben Hauptschulabgängern kaum eine Chance. Sind diese Jugendlichen den Arbeitgebern egal?

Es brauchen doch gar nicht alle Betriebe diese sehr anspruchsvollen Ausbildungen. Kleinere Betriebe brauchen vielmehr einfacher ausgebildete Fachkräfte. Und natürlich sind uns diese Jugendlichen nicht egal. Deshalb plädiert unser Verband ja auch für die zweijährige Ausbildung, die als Endergebnis Facharbeiter hervorbringt, die von Unternehmen gefragt sind.

Die Gewerkschaften lehnen solche Schmalspurausbildungen mit dem Argument ab, daß diese Arbeitnehmer für den zukünftigen flexiblen Arbeitsmarkt schlecht gerüstet sein und als erste wegrationalisiert würden.

Ja, das ist leider ein Problem der Weiterbildung. Gerade Mitarbeiter in unteren Lohngruppen nehmen diese Möglichkeiten wenig wahr, und in kleineren Betrieben gibt es überhaupt zu wenige Weiterbildungsangebote. Aber dann bleibt doch die Frage, ob es besser ist, jemanden durch einen schnellen und glatten Berufseinstieg zu motivieren – auch wenn er dann halt eine Lohngruppe tiefer bezahlt wird. Oder ob man ihn durch lange und vielleicht nicht erfolgreiche Prüfungen frustriert, nur weil er die dreijährige Ausbildung unbedingt schaffen soll.

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