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Hilfe zur Selbsthilfe

Welche Frau mischt sich schon gern unter die männliche Kundschaft im Sexkaufhaus? Inzwischen führen viele Wege zum eigenen Vibrator – die Möglichkeiten, in Verlegenheit zu geraten, bestehen jedoch weiter  ■ Von Silke Burmester

Früher, als Versandhaus noch „Quelle“ bedeutete, fragten wir uns, was das war, das lange, weiße Ding, das sich die Frauen auf den Seiten zwischen Bad- und Elektrogeräten so selbstverliebt an die Wange hielten. „Massagestab“ stand da zu lesen, und unsere Eltern meinten, sie wüßten auch nicht, was das sei.

Heute sind wir viel schlauer und bestellen gleich den „Beate Uhse“-Katalog oder den eines „Frauen-Erotik“-Versandhauses wie .... oder „Kamana“.

Vielleicht ist es auch Ergebnis der von Alice Schwarzer und Inge Meysel initiierten PorNo-Debatte Anfang der Achtziger, daß Frauen verstärkt die Angebote des Erotikmarktes für sich nutzen. Während die nämlich ein Verbot „frauenverachtender“ Pornographie forderten, argumentierten andere Frauen, daß sie sehr wohl Pornographie wollten, es im männerdominierten Pornogeschäft aber zu wenig Angebote für Frauen gebe.

Ergebnis ist der Versuch einer Definition dessen, was Frauen gefällt – Erotik statt Hardcore (Ausnahmen bestätigen die Regel) – und der boomende Markt entsprechender Produkte. Die Anbieter und Anbieterinnen sind vielfältig: feministisch orientiert, trendaufgreifend wie die Mutter des Erotikversandes, Beate Uhse, oder flauschig-weich wie Kamana.

Natürlich wurde der Vibrator nicht neu erfunden, doch seit die Damen das Zepter selbst in die Hand nehmen, hat sich das Angebot enorm erweitert und bedient nicht nur Gemüseliebhaberinnen, diejenigen, die Kitzlerstimulation oder einen wasserdichten Helfer brauchen, auch die Farben und Materialien sind vielfältiger geworden. In diesem Punkt unterscheiden sich die Anbieter kaum voneinander, obschon Beate Uhse mit rund fünfhundert verschiedenen Vibratoren im Angebot weit vorn liegt – wohl derjenigen, die hier Markttransparenz fordert.

Ansonsten ist die Wahl des Erotikhändlers eine Frage des Niveaus und der Sympathie. Zwar findet sich – aus Gründen des Jugendschutzes – auch bei Uhse nichts, was unter harter, frauenverachtender Pornographie rangiert, doch ist ein Katalog, bei dem es um die weibliche Sexualität geht, per se sympathischer als einer, in dem die Frau in großen Teilen als geiles Fickmäuschen dargestellt wird. Und obschon es bei Kamana oder dem Urgestein des Damen-Shops, dem von der amerikanischen Feministin Susie Bright gegründeten Good Vibrations, eine Männerseite gibt, stehen die Cockrings oder Lederslips hier im Kontext weiblicher Lust.

Den Beweis, daß weibliche Lust und Wohlbefinden sich nicht auf „Möse“ und „Schwanz“ reduzieren lassen, führt der Kapitalismus. Oder warum sollte Kamana Briefpapier mit erotischen Zeichnungen anbieten, ebensolche Bettwäsche (mit Monogramm!), Räucherstäbchen oder eine große Palette an Pflegeprodukten, während wir dem Angebot der siebzehn „kraftvollen Verstärker“ bei Uhse entnehmen, daß Männer überwiegend Probleme haben?

Obschon sich Europas größte Sexhändlerin verstärkt um Niveau und Zeitgeist bemüht und Bücher wie „Schwul – Na und?“ oder Pflegeprodukte wie „Hanf Avocado Massageöl“ anbietet, haftet dem Flensburger Katalog vor allem die Assoziation „Problem“ an. Vielleicht ist diese Wahrnehmung Ergebnis der Erziehung aus einer Zeit, als Frau sich den Massagestab noch an die Wange hielt. Wahrscheinlicher aber ist, daß eine Frau, die um ihre eigene Lust bemüht ist, keine Nachbildung einer weiblichen Hand sehen will, die als „Flutsch Faust“ verkauft wird, keine „schmuseweiche Liebesgrotte“, die als „handliche Seemannsbraut“ gehandelt wird, und sich auch nicht vorstellen will, wie irgendwelche Kerle sich zu „Hausfrauen ohne Tabus“ oder „Lüsterne Frauen über 40“ einen runterholen. Da bleibt sie lieber naiv und hält sich den Massagestab ins Gesicht.

Beate Uhse, 24934 Flensburg, Fon (0180) 556 69, Fax (0180) 524 26 61

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