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Wahrheit oder Lüge

■ Ex-Junkie steht wegen Raubmord in einem Lotto-Laden vor Gericht

Fassungslos starrt Gisela H. den Angeklagten an und nickt dann verzweifelt: „Das ist er.“ Fünf Minuten später läßt sie bei ihrer Aussage eine Frage unbeantwortet, „weil ich das nicht mehr weiß“, und weil „ich niemanden belasten will, wenn er es nicht war“.

Der Ehemann von Gisela H. wurde ermordet – in ihrem Beisein, im gemeinsamen Lottoladen. Zwei Männer überfielen im Dezember 1996 das Geschäft am Mundsburger Damm und verlangten Geld. Als der Schäferhund der Eheleute zu bellen begann, da „rastete der eine total aus“, sagt H. Immer wieder stach er mit dem Messer auf Helmut H. ein. Der verblutete. Gisela H. wurde durch Messerstiche schwer verletzt.

20 Monate später steht nun der mutmaßliche Täter Christian K. vor dem Landgericht, und Gisela H. steckt in einem Zwiespalt. Da ist zum einen der verzweifelte Wunsch nach Vergeltung und die Angst, daß niemand für die schreckliche Tat zur Verantwortung gezogen wird. Zum anderen hat sie aber auch Angst, jemand unschuldig ins Gefängnis zu schicken. Denn die Indizien sind widersprüchlich. Damals bei der Polizei, „unter Schock“, wie H. betont, hat sie den Messerstecher als eher klein und kräftig beschrieben. Christian K. ist ein hochgeschossener, hagerer Mann. Und seine Zähne, so sagte sie damals, seien „auffallend weiß und schön“. Der Ex-Junkie K. hat mehrere Zahnlücken. Eindeutig wiedererkannt habe sie jedoch seine Augen, sagt sie nun.

Bei seiner Verhaftung diesen Februar hatte Christian K. ein Geständnis abgelegt. Mittlerweile hat er es widerrufen. Vor Gericht verweigerte er gestern jegliche Aussage. Gegenüber der Polizei hatte K. noch seine Beteiligung an dem Raubmord eingeräumt, hatte sogar den Namen seines angeblichen Komplizen genannt. Der wurde verhaftet, dann mangels Beweisen freigelassen.

Auf Christian K. war die Polizei über einen Hinweis seiner Ex-Freundin gekommen. Ihr habe er anvertraut, etwas mit der Tat zu tun gehabt zu haben, berichtete sie im November 1997. Das gestand er der Freundin auch ein zweites Mal – nach seiner Festnahme, in einem Brief, den er ihr aus dem Untersuchungsgefängnis schrieb. Zwei Wochen später schrieb er erneut. Diesmal bezeichnete er sein Geständnis als „Lüge“. Der Prozeß wird fortgesetzt. Elke Spanner

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