Deutsche Nutten trinken anständig

■ Das Frauenmagazin "Nova" beschäftigt sich in sechs Beiträgen mit "Geschäften mit Sex". Dabei kleidet die Redaktion munter ganz alte Thesen in neue Gewänder. (20.15 Uhr, 3sat)

Sex sells – das weiß auch die Redaktion des 3sat-Magazins „Nova“ und beteiligt sich mit sechs Beiträgen zum Thema „Geschäfte mit Sex“ an der laufenden Diskussion. Während Werbeleute mit vollen Brüsten sogar leere Büroflächen verkaufen, propagieren Zeitschriften das neue Selbstbewußtsein der Frau: Sie ist kein Lustobjekt, sondern ein Lustsubjekt. Das Bestimmungswort bleibt und läßt gereizte „Nova“-Redakteurinnen junge und alte Frauen in die Kamera rufen: „Jetzt ist Schluß mit Sex!“ und: „Ich habe keine Lust mehr.“

Alte These: Die Welt wird immer schlechter, Schuld daran ist unersättliche Gier nach Sex und Geld. „Nova“ verkauft derlei Ideologie im neuen Gewand. Moderne Experten und neue Zahlen, junge Stimmen und frische Sprache nehmen der These ihren Modergeruch katholischer Kanzeln. Wasserdicht scheint die Argumentation. Eine übersättigte Gesellschaft sucht frustriert nach neuen Reizen, die Geschlechter suchen aneinander vorbei und finden das Alte. Männer wollen den Akt und Frauen die emotionale Basis, weiß jedes Nähkästchen – auch das des von „Nova“ vorgeführten Pornographen Hans Moser. Die Pornoindustrie widmet sich deshalb hauptsächlich Männerphantasien, sagt er: die Frau in unterlegener Hingabe, in verschiedenen Stellungen.

Solcherart frauenverachtende Filme erklären die Gewalt von Männern an Frauen, und die steigt proportional zum Anwachsen des Sexmarktes, soll der Zuschauer folgern. Daß sich Statistiken über Gewaltverbrechen aus der Anzahl aussagemutiger Opfer errechnen und auch diese gestiegen sein kann, wird nur angedeutet. Deutlicher sprechen Bilder: Eine junge Frau flüchtet vor den Schlägen einer männlichen Arschgeige ins Frauenhaus. Arschgeige hat oft Pornos goutiert.

Die von den Medien ständig gelockte Sexgier der Männer sei letztlich Ursache für die Einfuhr ahnungsloser Frauen aus Lateinamerika und Osteuropa, heißt es hier. Sodom und Gomorrha, denkt mancher da gleich. Unser Sündenpfuhl wird überlaufen, wenn jetzt auch noch Wagenladungen ausländischer Huren hinzukommen. Aber: Es arbeiten kaum noch deutsche Frauen in der Prostitution, informiert uns „Nova“, und schimpft mit einem Ex-Zuhälter, daß Ausländer im Rotlichtmilieu nicht nur die Preise verderben, sondern daß das Geld einer deutschen Nutte wenigstens im Land bleibt, wenn sie sich betrinkt. Ausländische Nutten schicken alles nach Hause.

Die Anerkennung der Prostitution als Beruf hält das Magazin für geeignet, die Frauen vor Kriminalisierung und Gewalt zu schützen. Das horizontale Gewerbe soll legal und kontrollierbar werden. Der Frankfurter Polizist Wolfgang Meyer ergänzt: Um speziell ausländische Prostituierte vor der Illegalität „zu schützen“, schlägt er vor, im Rotlichtmilieu eine Ausländerquote einzuführen.

Unkommentiert, fast beiläufig fließen solche Beiträge in den mitreißenden Oberton mit ein: Hier geht es um Frauen und ihre Interessen in der männlich dominierten Welt. Das erschwert es, aus der durchaus gelungen komponierten Sendung falschen Töne zu isolieren. Claudia Sudik