: Vom OP auf den Fußballplatz
■ Markus Ahlf, der Libero der St. Pauli-Amateure, will heute gegen Leverkusen zu Null spielen
„Weniger als 10.000 Zuschauer wären für mich eine herbe Enttäuschung“, erzählt Markus Ahlf, Libero der St. Pauli-Amateure, vor dem Spiel des Jahres gegen Bayer Leverkusen. Wenn der Schiedsrichter heute um 19 Uhr den Ball am Millerntor freigibt, will der 20jährige Libero, der seit der B-Jugend zu den größten Talenten des nicht gerade reichen Vereines gehört, dafür sorgen, daß die Null beim Oberligisten steht. Bei seinem zweiten Profieinsatz in Fürth war vielen Leuten sein Name aufgefallen. Dies nicht nur aufgrund seiner fehlerfreien Leistung, sondern weil auf seinem Dress der Schriftzug „Ahls“ zu lesen war. Sein Trainer Joachim Philipkowski traut ihm „den Sprung in die Profimannschaft im kommenden Dreivierteljahr“ durchaus zu, zumal Markus nicht nur das nötige Talent und Engagement habe, sondern auch wisse, was er will, so „Pipel“. Die taz besuchte den Zivildienstleistenden in seiner letzten Arbeitswoche in der Endoklinik Altona und sprach mit ihm über das Pokalspiel und persönliche Perpektiven.
Du bist jetzt so gut wie fertig mit deinem Zivildienst. Was war deine Aufgabe, und welche Szene wirst du nie vergessen?
Ich war dafür zuständig, die Patienten von der Station in den OP zu chauffieren. In meiner ersten Woche kam ich mit einem Kollegen ins Zimmer einer Patientin, die schon mit Panik in den Augen senkrecht im Bett saß und zitterte. Das Gespräch verlief ungefähr so: „Moin, geht los, wir fahren Sie jetzt in den OP.“ – „Nee, nee, ich fahr da nicht runter, nein!“ Wir beschlossen dann, in fünf Minuten nochmal wiederzukommen. Als wir wieder ins Zimmer kamen, hatte sie sich auf dem Klo verschanzt und weigerte sich, mitzukommen.
Da ist dann der Psychologe im Zivi gefordert.
Manchmal schon. Das hat aber auch, wie in diesem Fall, ganz gut geklappt. Wir haben die aufgeregte Dame dann nach einigen Minuten doch überredet, sich in den Operationssaal fahren zu lassen.
Doch ab jetzt ist Schluß mit Krankenschwester. Wie geht es für dich weiter?
Ich hab noch ein Jahr Vertrag beim FC plus ein weiteres Jahr Option. Dieses Jahr werde ich mich nur auf Fußball konzentrieren. Ich will nochmal richtig angreifen. Wenn der Trainer mich danach nicht haben will, muß ich mir einen anderen Verein suchen.
Was passiert, wenn aus der Fußballkarriere nichts wird?
Ich würde gerne irgendwas in Richtung Werbung machen. Aber erstmal werd ich mich richtig reinknien, und dann klappt das auch.
Wie ist denn die Stimmung vor dem Spiel des Jahres bei dir und den anderen jungen Spielern?
Natürlich freuen wir uns alle, gegen so einen prominenten Gegner ranzudürfen. Das Spiel ist für uns der Knüller - ein Bonbon. Aber es ist nicht so, daß wir schon seit Wochen vor Nervosität zittern.
Traut ihr euch zu, die Millionentruppe von Bayer zu schlagen?
Mein Tip lautet: 1:0, Torschütze: Ivan „Knipser“ Klasnic. Und dann Bayern oder Dortmund.
Nach dem Weggang von vielen alten Leistungsträgern wie Andrew Pfennig oder Mike Göbel, die in den vergangenen Jahren das Gerüst der Mannschaft bildeten, geht ihr mit einem sehr jungen Team an den Start. Von neun Neuzugängen kamen allein sechs Spieler aus der A-Jugend. Wie schätzt du eure Perspektiven ein?
Für mich persönlich geht es in erster Linie darum, daß ich Verantwortung übernehme, gerade auf der Position des Liberos. Das ist auch die Vorgabe von unserem Trainer Joachim Philipkowski. Ich denke, daß wir mit der Truppe oben mitspielen können, alles andere wird sich dann ergeben.
Eure Oberliga-Heimspiele tragt ihr gewöhnlich im Sternschanzenpark aus. Gegen Leverkusen dürft ihr jetzt am Millerntor ran. Reicht euch diese Ausnahme?
Nein, wir würden alle lieber am Millerntor spielen. Ich finde es gerade für die jungen Spieler sehr wichtig, daß sie in dem Stadion spielen, in dem auch die Profis auflaufen. Aber was sollen wir machen, wenn der Verein sagt, daß der Rasen die Doppelbelastung nicht verkraftet?
Du bist jetzt seit deiner Jugendzeit beim FC St. Pauli. Käme für dich auch ein Wechsel zum HSV in Frage?
Nein, schon aus Sympathiegründen nicht. Ich würde eher in der Regionalliga spielen als zum HSV zu gehen.
Interview: Mike Glindmeier
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