: Doch kein Giftgas in Khartum?
■ Deutscher Botschafter widerspricht der US-Regierung. Sein Bericht wird in Bonn unter Verschluß gehalten. Angriffe im Sudan und in Afghanistan waren angeblich bereits lange geplant
Bonn/Washington (AFP/dpa) – Knapp zwei Wochen nach den US- Angriffen auf Ziele im Sudan und in Afghanistan wachsen Zweifel an der Darstellung der US-Regierung. Nach Einschätzung des Bonner Botschafters im Sudan diente die in der Hauptstadt Khartum bombardierte Fabrik nicht der Herstellung chemischer Waffen. Nach Informationen der Washington Post wurden beide Angriffe bereits im Juni und nicht erst nach den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania geplant. In Bonner Regierungskreisen wurden am Wochenende Informationen von Spiegel und Focus bestätigt, wonach der deutsche Botschafter in Khartum, Werner Daum, am Abend des US-Angriffs einen verschlüsselten Bericht ans Auswärtige Amt schickte, der den Angaben der US-Regierung widerspricht. Darin heiße es, die bombardierte Fabrik al-Schifa könne „beim besten Willen nicht als chemische Fabrik bezeichnet“ werden. Vielmehr habe sie überwiegend Medikamente für Menschen sowie einige Tierarzneimittel produziert.
In Bonner Regierungskreisen wurde Daums Bericht als „Schnellschuß ohne Kenntnis der Fakten und Gesamtumstände“ abgetan. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu: „Botschaftsberichte geben nicht die Meinung des Auswärtigen Amtes oder gar der Bundesregierung wieder.“ Zum Inhalt interner Korrespondenz gebe es keinen Kommentar. Laut Focus wird Daums Bericht unter Verschluß gehalten, da Bonn sich bereits hinter Washingtons Vergeltungsaktion stellte. Bei den Bombenanschlägen gegen die US-Botschaften in Kenia und Tansania wurden am 7. August 257 Menschen getötet, unter ihnen zwölf US-Bürger.
Auch die New York Times berichtete am Samstag über offene Fragen im Zusammenhang mit dem US-Angriff und zitierte einen britischen Ingenieur, der während des Baus der Anlage von 1992 bis 1996 dort technischer Manager war: Die Anlage „eignet sich nicht dazu, chemische Waffen herzustellen“, berichtete Tom Carnaffin. Die Arbeiter dort mischten vorbereitete Chemikalien zu Arzneien. Es fehle im übrigen an Platz, um andere Chemikalien zu lagern oder herzustellen.
Die Angriffe im Sudan und in Afghanistan seien langfristig geplant gewesen, berichtete gestern die Washington Post unter Berufung auf ranghohe US-Militärs. Das Verteidigungsministerium habe vorab von einer geplanten Zusammenkunft des saudischen Islamisten Ussama Bin Laden mit mehreren Gesinnungsgenossen in einem afghanischen Lager gewußt. Der Milliardär, den die USA als Hintermann der Bombenanschläge in Kenia und Tansania betrachten, habe das Camp erst kurz vor dem Angriff verlassen.
Die USA hatten ihre Raketenangriffe bisher stets mit der unmittelbaren Bedrohung durch weitere Anschläge nach den Attentaten in Kenia und Tansania gerechtfertigt.
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