piwik no script img

Kanzleramt als „Horrorvorstellung“

■ Opposition und SPD kritisieren geplanten Zaun um das Kanzleramt. Innenverwaltung und Senatskanzlei müssen Konzept überarbeiten

Der geplante 2,30 Meter hohe Zaun um das neue Kanzleramt stößt nicht nur bei den Oppositionsparteien Bündnis 90/Grüne und PDS, sondern auch bei der SPD auf Ablehnung. „Dieser Zaun ist eine Horrorvorstellung“, sagte der Abgeordnete Peter Schuster bei der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Bundesangelegenheiten. Schuster erinnerte daran, daß bei der Planung sämtliche Sicherheitsvorkehrungen bereits im Inneren des Gebäudes realisiert würden. „Warum“, fragte der Abgeordnete, „reicht die ursprüngliche Sicherheitsplanung nicht mehr aus?“

Bei der Beantwortung dieser Frage mußte selbst Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) passen. Von einem Dissens mit dem Kanzleramtsarchitekten sei ihm nichts bekannt, sagte Böse. Bei der Verschärfung der Sicherungsmaßnahmen, erklärte Böse weiter, habe man sich an Vorgaben des Bundeskriminalamts gehalten. Böse machte aber deutlich, daß seine Verwaltung hinter dieser Maßnahme stehe. „Wir wollen ein Maximum an Sicherheit und ein Minimum an Sichtbarkeit“, umschrieb der Staatssekretär die von der Innenverwaltung gestern vorgestellte „Mitteilung über Offenlegung der Sicherheitsplanungen im Regierungs- und Parlamentsviertel“. Ähnlich äußerte sich auch Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) bei einer Baustellenbesichtigung am Spreebogen. Bohl wandte sich gegen den Vorwurf, die Anlage werde einer Festung gleichen. Der Architekt des Kanzleramtes, Axel Schultes, wollte sich zu der Frage gestern nicht äußern.

Mit der Vorlage des Sicherheitsberichts hatte sich der Senat lange Zeit gelassen. Aus Ärger darüber hatte die Gewerkschaft der Polizei vor einigen Wochen bereits von einem fehlenden Sicherheitskonzept für das Berliner Regierungsviertel gesprochen. Dabei wurde vor allem ein fehlendes Stellenkonzept für die mit neuen Aufgaben im Objekt- und Personenschutz versehene Berliner Polizei moniert. Eine genaue Aussage konnte die Innenverwaltung aber auch gestern nicht treffen. Das alte Konzept, bei dem ein Stellenbedarf von 900 Stellen errechnet wurde, werde derzeit überarbeitet, mußte Böse gestern erneut passen. Die Abgeordneten sämtlicher Fraktionen verdonnerten sowohl die Innenverwaltung als auch die Senatskanzlei, bis zur nächsten Ausschußsitzung am 11. November einen genaueren Bericht vorzulegen.

Doch nicht nur der Zaun und der fehlende Stellenplan ärgerte die Abgeordneten der SPD und der Opposition, sondern auch der Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Land Berlin. Wie berichtet sollen 36 Prozent der Maßnahmen im „Entwicklungsbereich Hauptstadt“ aus Landesmitteln bezahlt werden. In Bonn dagegen müssen Kommune und Land nur 20 Prozent finanzieren. Als Grund für diese Verschiebung nannte Senatskanzleichef Volker Kähne gestern den Umstand, daß das Regierungsviertel anders als in Bonn im Zentrum der Stadt liege. Dadurch würde Berlin auch von Infrastrukturmaßnahmen wie dem Bau von Schulen und Kitas profitieren – eine Bemerkung, die die Opposition angesichts der Planungen für eine Bundestagskita mit Gelächter quittierte. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen