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Zeiten bitterer Ernüchterung

■ Anfangs herrschte stolze Hoffnung und die griffige Parole „Land gegen Frieden“ schien eine geeignete Grundlage, auf der Israelis und Palästinenser ihre Zukunft gestalten könnten. Doch die Landübergabe wurde immer zögerlicher vollzogen und der Frieden immer wieder vertagt. Und gegenseitiges Vertrauen, das über die Jahre aufgebaut werden sollte, kann man auch heute noch mit der Lupe suchen. Viele Palästinenser beklagen die Ohnmacht der Gegenwart während viele Israelis ohnmächtig den Frieden beschwören EinStimmungsbild

Auf einer alten Holzkiste hockt Um Sabri, mitten in einer der engen Gassen des alten Bethlehemer Marktes. Sie bietet leicht verwelkte grüne Salatblätter aus einem Pappkarton feil, mehr hat sie nicht im Angebot. Sie strahlt freudig, als sie ihre ausländischen Bekannten wiedererkennt. „Das sind meine Kunden aus Jerusalem“, ruft sie lauthals. Ein paar Jugendliche, die aufmerksam die Szene verfolgen, können sich ein Kichern nicht verkneifen, als die Frau für einen Strauß ihres Grünzeugs stolze fünf Schekel, umgerechnet 2,50 Mark, verlangt. Die überschwengliche Begrüßung verbietet freilich jedes Feilschen um den Preis.

Vor einiger Zeit noch hatte die 45jährige ihren Stand auf der Sultan-Suleiman- Straße, gegenüber den Mauern der Jerusalemer Altstadt. Kartoffeln, Paprika, Zwiebeln, Auberginen, Tomaten breitete sie dort auf dem Bürgersteig aus. Lebhafter Publikumsverkehr garantierte ein passables Geschäft. Aber seit Jerusalems Bürgermeister Ehud Olmert aus Imagegründen die Straßen Ost-Jerusalems „säubern“ ließ, mußte auch Um Sabri ihren Stand aufgeben. „Die Gebühren für den überdachten Stand vor dem Damaskustor kann ich einfach nicht zahlen.“

Um Sabri wohnt im palästinensischen Autonomiegebiet von Bethlehem. Ihr geschäftliches Plus bestand bisher darin, daß sie über eine Einreisegenehmigung für Jerusalem verfügt und somit auch anderleuts Waren in Ost-Jerusalem feilbieten konnte. „Natürlich bin ich für den Frieden, aber wir sind enttäuscht. Und jetzt habe ich auch noch meinen Stand verloren“, jammert sie und sagt flüsternd: „Olmert“, als sei schon der Name des Bürgermeisters Inbegriff des Leibhaftigen.

Sie ist nicht die einzige Palästinenserin, die Grund zum Klagen hat. Um fast ein Drittel ist das Durchschnittseinkommen im Westjordanland in den vergangenen Jahren gefallen, auf etwas über fünfzehnhundert Dollar. Noch geringer ist der Jahresverdienst im Gaza-Streifen: im Durchschnitt unter tausend Dollar. Die Friedensdividende, von der so viele träumten, ist ausgeblieben. „Wir können nur hoffen, daß es wieder besser wird“, sagt Um Sabri zum Abschied.

Doch ein Rundgang über den Bethlehemer Markt macht nicht eben Mut. Die meisten Händler blicken mißmutig drein, nur wenige bieten ihre Waren mit Enthusiasmus an. Aus einer Ecke stinken verdorbenes Gemüse und ein paar tote Küken, die die Hitze nicht überstanden haben. Am Platz vor der berühmten Geburtskirche lärmen die Abrißbagger. Das ehrgeizige Projekt „Bethlehem 2000“ sorgt erst einmal für Krach und Staub, aufgerissene Straßen und Verkehrsstaus in der ganzen Stadt.

Die Touristen müssen derzeit einige hundert Meter vom Bus zur Geburtskirche und umgekehrt zu Fuß zurücklegen, denn der Parkplatz direkt vor der Kirche kann wegen der Straßenarbeiten nicht mehr angefahren werden. All das soll sich zum Jahr 2000 bessern, wenn Bethlehem für die christlichen Geburtstagsfeiern herausgeputzt ist. Ob die Pilger dann in einem palästinensischen Staatsgebiet herumspazieren können, ist jedoch alles andere als ausgemacht. Zwar laufen die Interimsvereinbarungen der Oslo-Abkommen am 4. Mai nächsten Jahres aus, und Palästinenserpräsident Arafat hat für diesen Termin die Proklamation eines Staates angekündigt. Doch eine Vereinbarung über die Landverteilung und die Grenzen wird es bis dahin nicht geben, von Vereinbarungen für Jerusalem und für die Siedlungen ganz zu schweigen.

„Sollte Arafat den palästinensischen Staat ausrufen und wir militärisch dagegen vorgehen, dann werden wir weltweit zum Pariah-Staat“, sagt David Kimche, Präsident des „Israelischen Rates für auswärtige Angelegenheiten“. Kimche, einst Mossad-Mitarbeiter, dann israelischer Diplomat im Ostblock und zuletzt Direktor im Außenministerium, gilt als einer der engagiertesten Befürworter eines Ausgleichs mit den Palästinensern.

„Keine Seite kann derzeit eine blutige Konfrontation brauchen“, meint Kimche, der mit seinem eleganten Anzug und dem schlohweißen Haar den Eindruck eines Elder statesman hinterläßt. „Ich bin sicher, daß Netanjahu eigentlich keinen Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten mehr vornehmen will, wie es das Hebron-Abkommen fordert. Aber er hat nur zwei Möglichkeiten. Entweder er tut nichts und handelt damit im Sinne der Siedler, oder er führt den nächsten Teilrückzug durch, und das geht nur mit einer Regierung der nationalen Einheit.“ Der Buchautor und Ex-Diplomat, der auch als Kommentator in der israelischen Presse hervortritt, ist sich sicher, daß die Netanjahu-Regierung nur an einem Mißtrauensvotum der rechten Parteien scheitern kann. „Dafür gibt es genügend Abgeordnete“, fürchtet er und fügt hinzu: „Die Folge wird eine noch weiter rechts gerichtete Regierung sein.“ Doch warnt er auch vor allzu großem Druck auf Israel. „Wir sind ein sehr stures Volk.“ Druck könne sehr schnell den gegenteiligen Effekt auslösen. Frieden mit einem palästinensischen Staat hält er dennoch für notwendig, denn „die Kriege der Zukunft werden nicht vergleichbar sein mit jenen der Vergangenheit“.

Den Kleinkrieg der Gegenwart führen die Siedler. Und das immer häufiger auch gegen Minister der eigenen Regierung. Objekt des Protestes in der vergangenen Woche: Verteidigungsminister Mordechai, der sich sogar als „Mörder“ beschimpfen lassen mußte. Drei Siedler sind im vergangenen Monat ermordet worden. Und für deren Schutz ist der Verteidigungsminister verantwortlich.

Doch zu der angekündigten Demonstration vor der Residenz von Ministerpräsident Netanjahu sind an diesem Morgen nur vier „Frauen in Grün“ erschienen. Markenzeichen der streitbaren Damen ist ein grüner Hut, verziert mit einer hellgrünen Rosette. Oslo ist für sie ein rotes Tuch. „Dieses Land gehört uns, wir sollten es nicht den Arabern überlassen“, erklärt Bernice Woolfe. Netanjahu habe vor zwei Jahren versprochen, den Oslo-Prozeß zu stoppen. Die 73jährige Urgroßmutter ist Gründungsmitglied der „Frauen in Grün“ und lebt in der Siedlung Kiryat Arba bei Hebron.

„Was glauben Sie, wie oft mein Auto schon mit Steinen beworfen worden ist“, beschwert sie sich. Aber Gott sei Dank habe sie Spezialscheiben in ihrem Wagen und eine Funkverbindung zur israelischen Armee. Israel müsse den Terror bekämpfen und diese unglaublichen Autodiebstähle, „40.000 im Jahr“, wie sie sagt. „Die Autos landen alle in den Autonomiegebieten. Damit fahren dann die PLO-Funktionäre spazieren.“ Die ehemalige Buchhalterin aus Washington D.C. ist 1984 nach Israel eingewandert, weil ihre Tochter schon hier lebte und weil sie das Gefühl hatte, „dies ist mein Land“. Die Araber könnten bleiben, gesteht sie zu, aber sie müßten sich unterordnen und an die Gesetze halten. „Wissen Sie“, sagt sie freundlich lächelnd, „Sie müssen die Mentalität der Araber in Betracht ziehen.“ – „Und die Mentalität der Siedler, die Ermordung von Palästinensern, das Massaker in Hebron?“ „Stimmt“, sagt Bernice, „Baruch Goldstein tötete 29 Araber in der Moschee in Hebron. Aber er ist ein Held, denn er hat jüdisches Leben gerettet. Die Araber wollten uns am nächsten Tag alle umbringen und aus der Stadt jagen. Unter den Teppichen in der Moschee wurden Messer und Pistolen gefunden, sogar Maschinenpistolen waren dort versteckt.“ Nicht der Hauch eines Zweifels an dieser Version klingt aus ihrer Stimme. Goldsteins Grabmal in Kiryat Arba ist heute eine Pilgerstätte der extremen Rechten.

„Es gibt einen Mangel an Führung“, sagt der israelische Schriftsteller David Grossman. „Und einen Mangel an Entscheidungsfähigkeit.“ Ganz Israel, nicht nur die Regierung, liege im Koma. Die Regierung wiederhole die Fehler der Vergangenheit, sie suche die alte Form der Konfrontation. Und der Opposition fehle eine Persönlichkeit, die Netanjahu herausfordern könne. Aber den Friedensprozeß für tot erklären will er nicht. „Netanjahu spielt auf Zeit, weil er in ein Dilemma verstrickt ist“, sagt Grossman. Entweder Machterhalt und Rettung der rechten Koalitionsregierung oder Fortschritt im Friedensprozeß. „Alles erinnert mich an die Situation vor elf Jahren, kurz vor Beginn der Intifada“, sagt Grossman. Damals pflegte jeder in Israel zu sagen, die Lage sei unter Kontrolle, es gebe keine Probleme. „Und dann kam die Intifada.“

Die Bücher und Kindergeschichten des 1954 in Jerusalem geborenen Grossman wurden weltweit übersetzt, sein exzellenter Ruf beruht vor allem auf der ungeschminkten Darstellung der israelischen Wirklichkeit. Der Schriftsteller meint, solange Netanjahu Arafat demütige, stärke er die Extremisten. Der Friedensprozeß könne nur Erfolg haben, wenn er auf gegenseitigem Respekt basiere. „Außenminister Peres hat mir damals persönlich gesagt, daß ein wachsendes Vertrauen zwischen den Parteien zu einer Lösung führen wird.“ Aber die Anschläge der islamischen Hamas-Organisation im Frühjahr 1996 hätten die Aussichten zerstört und Netanjahu an die Macht gebracht. Kurzfristig werde dies Netanjahu und der Rechten nutzen, aber die Bevölkerung habe keine Illusion darüber, daß „gegenwärtig etwas schiefläuft“.

Die Werke seines palästinensischen Künstlerkollegen Suleiman Mansour hängen in zahlreichen palästinensischen Geschäften, Restaurants und Privathäusern. Berühmt ist das frühe Werk vom „Lastenträger“, eine Art Christophorusfigur, die die Altstadt von Jerusalem in einem offenen Sack auf den Schultern trägt. Ausstellungen seiner Kunstwerke haben Mansour um den halben Globus geführt.

Heute ist er Direktor des Wasiti-Kunstzentrums in Sheich Jarrar in Ost-Jerusalem, dort ist gerade eine Ausstellung zeitgenössischer palästinensischer Malerei zu besichtigen. „Die meisten politischen Maler haben mit Oslo aufgehört zu malen“, sagt der 51jährige, der an der israelischen Bezalel-Akademie in Jerusalem studiert hat. „Entweder haben sie ihre Sujets verloren oder feststellen müssen, daß sie nicht mit dem internationalen Standard der Künste in Wettbewerb treten konnten.“

Er selbst arbeitet wie zu Zeiten der Intifada mit Stroh und Erde als Grundbestandteile seiner Bilder. „Ich bin auf dem Weg zurück zu politischen und sozialen Themen“, sagt Mansour. „Auch ich erwartete vor fünf Jahren Frieden, ein besseres Leben, eine Förderung der Künste.“ Aber nichts von alledem sei eingelöst worden. „Kein Mensch in der Welt kann auf Dauer diese Hoffnungslosigkeit ertragen“, sagt er. Da staue sich Ärger an, auch wenn er nicht schon morgen ausbrechen müsse. Für die erste Intifada hätten die Palästinenser schließlich zwanzig Jahre gebraucht. Mansour, der vier Kinder hat, bezieht „ein geringes Entgeld als Direktor von Wasiti“. „Erst jüngst habe ich drei Bilder an eine Vertreterin der Autonomiebehörde verkauft, die damit ihr Büro ausstatten wollte“, sagt der Künstler, verschweigt jedoch nicht, daß er auch andere Jobs annehmen muß. „Wir leben heute in Ghettos, wirtschaftlich und politisch“, konstatiert der Palästinenser, „aber es gibt keine Mauer, die ewig hält.“

Abu Sharich hat eine dieser Mauern schon vor drei Jahren eingerissen, dank Oslo. Der 43jährige Palästinenser wuchs in Ramallah im Westjordanland auf. 1974 verließ er seine Heimat und schloß sich der PLO im Libanon an. Zwei Jahre später wurde er im libanesischen Bürgerkrieg verwundet und zur Behandlung in die DDR ausgeflogen, wo er blieb und Arbeit in der PLO-Vertretung fand. Per Fernstudium machte er ein Diplom in Jura. Und seit zwei Jahren ist er Chef des „Delegiertenbüros der Deutschen Wirtschaft“ im autonomen Ramallah, der Vertretung der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Gleich nach Unterzeichnung des Friedensvertrages 1993 stellte er einen Antrag auf Familienzusammenführung, da seine Frau und seine Kinder in Jerusalem wohnten. Zwei Jahre später konnte er nach Jerusalem zurückkehren und erhielt sogar einen Ausweis als Einwohner Jerusalems, der ihm das freie Passieren der israelischen Checkpoints vor der Stadt ermöglicht. Sein Büro in Ramallah gibt deutschen Unternehmen Ratschläge und Hilfe bei Investitionen in den palästinensischen Autonomiegebieten. Obwohl viele Unternehmen deutsche Firmen und Produkte bevorzugen, verfügten diese oft nicht über eine Vertretung in den Autonomiegebieten, klagt Abu Sharich. Verhandlungen mit Firmenvertretern in Israel über Ersatzteile seien oft langwierig, kostspielig und schlicht unergiebig. Abu Sharich kennt allerdings auch die Defizite auf palästinensischer Seite: unklare Gesetzeslagen, korrupte oder ineffektive Behörden. Und immer wieder israelische Schikanen: Zwei Millionen Tonnen Zement verbauten die Palästinenser im Jahr. Aber nur 200.000 Tonnen dürften vom preiswerteren jordanischen Markt eingeführt werden. Den Rest müßten die Palästinenser zu einem höheren Preis in Israel erwerben. Obwohl dies in den Pariser Wirtschaftsprotokollen von 1994 vertraglich festgelegt sei, zum Nachteil der Palästinenser, würde selbst die geringe Einfuhrmenge aus Jordanien noch unterschritten.

„Als ich zurückgekommen bin, habe ich geglaubt, daß es wirklich Frieden gibt“, sagt Abu Sharich. „Aber heute sagt selbst meine Frau, daß es besser gewesen wäre, wenn wir in Deutschland geblieben wären.“ Und er schildert eine der üblichen Situationen am Checkpoint Erez im Gaza- Streifen: „Die Soldaten unterhielten sich, machten Witze, lachten, die Füße auf dem Tisch. Eine Viertelstunde mußten wir warten, bis sich einer bequemte, uns abzufertigen. Du kannst nichts machen, dich nirgendwo beschweren.“

Ghazi Hanania ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und Politiker. Erst kürzlich ist der Christ aus Ramallah zum stellvertretenden Parlamentssprecher gewählt worden. „Demokratie wie in Europa haben wir noch nicht“, sagt er. Harsche Kritik am palästinensischen Parlament will er jedoch nicht gelten lassen. „Unsere Arbeit hat Schlimmeres verhütet. Selbst Arafat mußte uns schließlich zur Kenntnis nehmen“, sagt er. Daß die Regierungserweiterung im vergangenen Monat eine Niederlage für das Parlament war, räumt er jedoch ein. Zusätzlich zu den alten wurden zehn neue Minister ernannt, um Arafat die Zustimmung der Fatah-Mehrheit – seiner eigenen Partei – zum neuen Kabinett zu sichern.

Die Stimmung im Parlament ist locker, auf den grünen Ledersesseln sitzen die Damen und Herren bequem. Ansonsten ist die Ausstattung eher spartanisch. Außer Telefonen am Tisch ziert nur noch ein blauer Vorhang hinter dem Präsidiumstisch das Halbrund in einem renovierten Flachbau. Jeder Abgeordnete verfügt über ein Auto und einen Fahrer, einen VIP-Ausweis, der freies Reisen im Lande ermöglicht, und ein Einkommen von knapp 2.500 Dollar im Monat. Als Parlamentssprecher will sich Ghazi zuallererst um auswärtige Beziehungen kümmern. Der Zahnarzt, der in Frankfurt studiert hat, möchte eine eigene deutsch-palästinensische Parlamentariergruppe auf die Beine stellen. „Nach der Bundestagswahl ist uns das in Aussicht gestellt worden“, sagt der Abgeordnete. Seine bescheidene, sachliche und stille Art hebt sich merklich ab vom Verhalten so mancher überheblicher PLO-Funktionäre.

Pragmatisch orientiert ist auch die israelische Friedensbewegung, die so oft totgesagt wurde und dennoch überlebt hat. Die 51jährige Gila Swirsky ist Vorsitzende der Frauenorganisation „Bat Shalom“, Haus des Friedens. Vor 32 Jahren wanderte sie aus den USA ein, während der Intifada entdeckte sie ihr Herz für die Unterdrückten, war bei den „Frauen in Schwarz“ aktiv und beim progressiven Israel-Fund. Heute gilt ihr Augenmerk den Häuserzerstörungen in und um Jerusalem. Erst vor knapp zwei Monaten erlebte sie per Zufall eine Häuserzerstörung in Anata, einem Vorort Jerusalems. Es gelang ihr, die Militärsperren zu durchbrechen und zu der palästinensischen Familie vorzudringen, deren Haus gerade von den israelischen Bulldozern abgeräumt wurde, einschließlich aller Wasserbehälter im Garten. „Ich habe noch niemals gesehen, daß im Nahen Osten soviel Wasser vergeudet wurde wie bei dieser Hauszerstörung“, sagt Gila. Alle Soldaten hätten sich darauf berufen, daß sie „auf Befehl“ handelten.

Allein in der zweiten Augusthälfte wurden zwölf palästinensische Häuser abgerissen, im vergangenen Jahr waren es nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem insgesamt 233. Für 850 weitere Häuser hat die israelische Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten jüngst Zerstörungsbescheide verschickt. Dabei hätte diese Zivilverwaltung nach dem Oslo-Abkommen längst aufgelöst werden müssen. „Wenn israelische Siedler neue Siedlungen errichten oder illegal neue Häuser bauen, so wird ihnen nachträglich eine Genehmigung erteilt. Wenn Palästinenser, denen eine Baugenehmigung regelmäßig verweigert wird, auf ihrem eigenen Land bauen, dann werden Abrißanordnungen erteilt“, konstatiert Betselem.

„Kurzfristig haben wir wenig Hoffnung“, sagt Gila Swirsky, „aber auf lange Sicht kann es nur Frieden geben.“ Ob die Vereinbarungen von Oslo dabei eine Hilfe sind oder nicht, muß die Geschichte noch entscheiden.

Georg Baltissen, 46, lebt seit 1997 als taz-Korrespondent in Jerusalem. Während der Balkankrise war er Auslandsredakteur. Zuvor arbeitete er mehrere Jahre bei der Bonner Informationsstelle für Palästina.

Kai Wiedenhöfer, 32, besuchte im Frühling 1989 erstmals Jerusalem und die besetzten Gebiete. Seitdem begleitet der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Fotograf den Friedensprozeß.

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