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„Wo ist denn hier der Chef?“

Gesichter der Großstadt: Die Münchner Architektin Ulrike Lauber ist die einzige Frau, die am Potsdamer Platz mitbaut. Die Männerwelt bereitet ihr kein Kopfzerbrechen mehr  ■ Von Jutta Wagemann

Im November 1989 zog Ulrike Lauber von New York wieder nach Deutschland. Sie entschied sich für München. Wenige Tage später fiel die Mauer. „Ich dachte, ich bin am falschesten Ende der Welt.“ Ihr war klar: Jetzt geht es los in Berlin, jetzt wird saniert, renoviert und neu gebaut. Ausgerechnet als Architektin hatte sie sich für den anderen Zipfel der Republik entschieden.

Längst bereut sie die Entscheidung nicht mehr. In München zog sie zusammen mit ihrem Geschäftspartner Wolfram Wöhr Großprojekte an Land – und wurde so bekannt, daß Daimler- Benz auf sie aufmerksam wurde. Das Unternehmen lud Lauber und Wöhr zum Wettbewerb für das debis-Projekt am Potsdamer Platz ein. Sie gewannen einen Sonderpreis und bauen jetzt an drei Stellen mit: Das gerade eröffnete CinemaxX-Kino und das Boarding House darüber sowie zwei Wohnblöcke in dem debis-Komplex haben sie entworfen. Vom „falschen Ende“ war Ulrike Lauber doch noch ins Zentrum gerutscht. Sie ist die einzige Frau unter den Architekten am Potsdamer Platz.

Die 43jährige ist stolz auf diesen Erfolg. Zu Kopf gestiegen ist er ihr nicht. Die schlanke Frau mit dem Kurzhaarschnitt begeistert sich für ihren Beruf, aber sie gibt damit nicht an. Lebhaft schildert sie ihre Philosophie: „Ich möchte Räume entwerfen, in denen nie jemand die Orientierung verliert.“ Klare Strukturen, Räume, die aus sich selbst wirken, nicht durch die Dekorationen, sind Ulrike Laubers Stil. Geprägt wurde sie von dem New Yorker Stararchitekten Richard Meier, bei dem sie vier Jahre arbeitete. Diesen klaren Stil haben Ulrike Lauber und ihr Partner im CinemaxX umgesetzt – „plüschige Kinos mag ich nicht“.

Der Stil spiegelt sich auch in Laubers Persönlichkeit wider. Sehr direkt und präzise erzählt sie von ihrem Werdegang. Die Schwierigkeiten am Anfang ihres Berufslebens verschweigt sie nicht. Als Studentin arbeitete sie zum ersten Mal auf dem Bau – und lief bei den Bauarbeitern voll auf. „Baustelle war grauenhaft“, sagt sie heute, jedoch ohne Bitterkeit. Die Arbeiter hätten sie einfach in der Kälte – es war Februar – stehengelassen. Sie durfte nur Arbeiten machen, bei denen schlanke Finger von Vorteil waren, erzählt Ulrike Lauber und reibt sich in Erinnerung an die Temperaturen schaudernd die Hände.

Auch als sie schon Projektleiterin war, mußte sie bei den Männern um Anerkennung kämpfen. „Wo ist denn hier der Chef“, habe ein Beamter auf der Baustelle gefragt, und sie, die Chefin, einfach beiseite geschoben. Mit den Jahren lernte Lauber jedoch, sich durchzusetzen. Wenn die Männer auf den Baustellen sie erst als kompetent akzeptiert hätten, sei es leicht gewesen, ist ihre Erfahrung. Dann hätte sie es als Frau vielleicht sogar leichter gehabt als ihre männlichen Kollegen. Dennoch: Ulrike Lauber ist überzeugt, daß junge Architekten, egal ob Frau oder Mann, 150prozentige Leistung bringen müssen, um Erfolg zu haben.

Ihr Beruf ist ein Drahtseilakt. Zu kumpelhaft darf sie den Arbeitern nicht kommen. „Eine Frau soll schon als Frau erkennbar bleiben“, sagt Ulrike Lauber lächelnd. Andererseits würde sie auf dem Bau schnell als Zicke gelten, wenn sie in Kostüm und Stöckelschuhen erschiene. Probleme mache ihr das nicht, sagt Lauber. Sie trage ohnehin nur Hosen, „und über Klamotten mache ich mir nicht so viele Gedanken“, sagt sie, in taillierten Blazer und schwarze Hose gekleidet, dezent geschminkt.

Sie hat sich durchgebissen, um so weit nach oben zu kommen. Nach dem Abitur „in einem kleinen Kaff in Hessen“, wo ihre Eltern einen kleinen Lebensmittelladen hatten, begann sie ihr Studium an der Technischen Universität Berlin. Ein Viertel ihrer Kommilitonen waren Frauen. Anschließend arbeitete sie in verschiedenen kleineren Architekturbüros in Berlin. Die Chefs seien immer Männer gewesen.

Inzwischen steige jedoch die Zahl der Architektinnen. In Laubers Büro ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen. Allerdings stiegen viele Frauen aus, wenn sie schwanger würden. „Da ist immer ein Karriereknick, da müssen wir uns nichts vormachen.“ Sie selbst hat keine Kinder und wollte auch nie welche. „Mir war klar, daß ich immer arbeiten würde.“

Frauen gezielt zu fördern, weil sie Frauen sind, käme ihr nicht in den Sinn. Die Kompetenz sei ausschlaggebend. „Ich fördere die, die mir sympathisch sind“, sagt sie unverblümt. „Wenn das dann eine Frau ist, ist das noch toller.“ Für die Unsicherheit mancher junger Architektinnen hat sie aber Verständnis, „auch ich bin nicht selbstbewußt auf die Welt gekommen“.

Einen ganz schlichten Vorteil hat Ulrike Lauber manchmal: Sie hebt sich von der (männlichen) Masse ab. In einer Männerrunde mit dem debis-Vorstand, den Architekten vom Potsdamer Platz und Edzard Reuter bekam sie das zu spüren: Reuter kam herein, ging auf sie zu und sagte: „Sie müssen Frau Lauber sein.“

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