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Stasi-Skandal beim Berliner Verfassungsschutz

■ Mindestens drei ehemalige Stasi-Informanten arbeiten im Geheimdienst der Hauptstadt

Berlin (taz) – Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) schreibt wieder Skandalgeschichte. Am Wochenende wurde bekannt, daß die geheime Behörde einen Informanten führt, der zuvor geheimdienstliche Erfahrungen bei der Stasi gesammelt hat. Aufgeflogen ist die Sache durch eine der jüngsten Affären, den „Fall Otto D.“. Durch anonyme Schreiben an die Innenverwaltung und den Polizeipräsidenten war der Berliner Polizeidirektor OttoD. im März bezichtigt worden, ein hochrangiges Mitglied der Scientology-Sekte zu sein. Das LfV, das sich rühmt, hier besonders gute Quellen zu besitzen, wurde mit der Klärung des Vorwurfs beauftragt – und bestätigte ihn ungewöhnlich schnell und eindeutig: Verfrüht, wie sich zeigte. Der V-Mann „Junior“, auf den man sich dabei stützte, entpuppt sich nun als Ex- Stasi-Informant. Insgesamt drei ehemalige Konfidenten des früheren DDR-Geheimdienstes soll das Berliner LfV führen. Einige Stimmen wollen von mehr wissen.

Peinlich ist der Vorgang allemal, doch in der Geschichte des Amtes nichts Neues. Seit der Gründung 1951 haben Berlins Verfassungsschützer Skandale en gros produziert. Eine kleine Auswahl: Schon zwei Jahre nach ihrer Arbeitsaufnahme standen sie vor dem ersten Scherbenhaufen, als herauskam, daß die Schlapphüte Politiker des Abgeordnetenhauses observierten. Betroffen waren SPD und CDU gleichermaßen. Der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter beauftragte damals das Bundesamt in Köln, Pläne für eine Umstrukturierung zu erarbeiten. Die Mühe war vergebens, bereits 1955 war die nächste Pleite da. In einem Arbeitsgerichtsprozeß stellte sich heraus, daß die Dunkelmänner V-Leute in Arbeitslosenvereinigungen plaziert hatten, um dort „subversive Elemente“ aufzuspüren. Was man zu jenem Zeitpunkt noch nicht wußte: Das LfV überprüfte auf Wunsch der FDP Aufnahmeanträge in die Partei. Ans Licht kam dies erst 1969.

Nicht vergessen werden darf der „Fall Schmücker“. Im Juli 1974 war im Grunewald der Student Ulrich Schmücker erschossen worden. Dem Fememord folgte der längste und skandalreichste Strafprozeß der deutschen Justizgeschichte. Erst nach und nach kam durch beharrliche Arbeit der Verteidigung heraus, warum das LfV das Verfahren ständig torpedierte: Nicht nur Schmücker war ein V-Mann gewesen, sondern mindestens zwei weitere Personen, die in äußerst engem Kontakt zu den Angeklagten standen. Einer von ihnen hatte dem Amt die Tatwaffe noch am selben Abend übergeben. Dort verschwand sie dann bis zum Sommer 1989 im Panzerschrank.

1988 flog die Bespitzelung des SPD-Politikers Erich Pätzold auf; im Jahr danach mußte man zugeben, daß die taz seit ihrer Gründung beobachtet worden war. Noch 1989 setzte Pätzold, nun rot- grüner Innensenator, eine „Projektgruppe Verfassungsschutz“ ein, um das Landesamt zu überprüfen. Die Gruppe förderte neben besagter Mordwaffe gleich mehrere Schießeisen ans Licht. Insgesamt legte sie zwölf Berichte über Fehlentwicklungen im LfV vor.

Nun der Fall des angeblichen Scientologen Otto D. nebst dem Skandal um den Stasi-V-Mann und der Blamage bei der Beobachtung der „Republikaner“. Vor einer Woche wurde den Geheimen hier gerichtlich untersagt, die Reps weiterhin als rechtsextremistische Partei auszuspähen. Den entsprechenden Beweis hatten sie nicht führen können. Mehr noch, sie kannten nicht einmal das aktuelle Parteiprogramm. Nur auf eines kann man sich bei den Berliner Skandalnudeln verlassen: Läßt man sie gewähren, schaffen sie jeden Amtsleiter und jeden Innensenator.

Gegenwärtig kommen Innensenator Jörg Schönbohm und sein Staatssekretär Kuno Böse (beide CDU) wegen der Ex-Stasi-Informanten unter politischen Druck. Staatssekretär Böse war über die Stasi-Vergangenheit des V-Mannes informiert. Er hatte dessen Beschäftigung im November 1997 zugestimmt. Schönbohm, der von der Stasi-Vergangenheit des V-Mannes erst im Zusammenhang mit dem Fall D. erfahren haben will, hält die Entscheidung für eine „Grenzfrage“. Otto Diederichs

Kommentar Seite 12

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