■ Cash & Crash
: Die Deutsche Börse drängt es in die Welt hinaus

Berlin (taz) – Die Aktienkurse mögen steigen oder fallen, an einem Tag in der Frankfurter Börse Millionen gewonnen oder verlorengehen – den Hausherren läßt das weitgehend kalt. Die Deutsche Börse AG verdient ihr Geld schließlich nicht mit den Gewinnen aus den Käufen oder Verkäufen in ihrem Haus. Sie lebt davon, daß die Makler überhaupt auf ihrem Parkett und über ihre Computer handeln. Die bewegen immerhin Aktien und Derivate im Wert von 75 Milliarden Mark pro Tag über die Systeme der Deutschen-Börse-Tochter Clearing AG.

Das reicht Werner Seifert, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse AG, aber nicht. Seitdem er 1993 den Vorsitz übernommen hat, feilt er an einer Strategie, mit der das Unternehmen zur Weltspitze aufsteigen kann. Er will das Unternehmen zum weltgrößten Markt für alle Arten von Termingeschäften und zum zweitgrößten für Anleihen ausbauen. Über ihre Computer und die von der zweiten Tochter Systems AG entwickelten Handelsprogramme sollen in Europa die meisten Orders laufen. Die Deutsche Börse soll damit zur umsatzstärksten Börse „innerhalb der europäischen Zeitzone“ werden.

Die Weltspitze werden die Frankfurter Börsianer nur erreichen, wenn sie mit anderen Börsen zusammenarbeiten oder ihnen ihre Softwareprogramme verkaufen. Im Juli konnten sie sich mit der Londoner Börse einigen, gemeinsam an einer Basis für die Vermarktung europäischer Blue-Chips – Spitzenwerte wie zum Beispiel im Deutschen Aktienindex – zu arbeiten. Mit der Schweizer Börse werden die Deutschen ab dem 28. September zusammen Optionen und Future- Kontrakte abwickeln.

Die deutsche und die schweizerische Terminbörse verschwinden damit und werden als Eurex wiedererstehen. Die virtuelle Verbindung ist nach der gleichnamigen Software der Deutsche Börse Systems AG benannt. Eurex soll die Keimzelle für eine gesamteuropäische Terminbörse sein.

Die Börse Wien konnte Seifert bereits überzeugen, das Handels- Programm Xetra der Deutschen Börse zu übernehmen. Die österreichische Börse wird ab dem kommenden Jahr ihre Wertpapiere also mit deutscher Software handeln und kann damit jederzeit mit der Frankfurter Börse gleichgeschaltet werden. Der Wiener Handelsplatz ist nicht nur wegen der österreichischen Aktien, sondern vor allem auch wegen der traditionell guten Verbindungen der Österreicher nach Osteuropa interessant.

Momentan verhandelt die Deutsche Börse mit den Börsen in Mailand, Paris und den Beneluxstaaten. Mittelfristig sind auch die Börsen in Skandinavien und in Madrid im Visier der Deutschen. Während Beobachter die Strategie der Deutschen Börse als „selbstbewußt“ oder „aggressiv“ bezeichnen, verteidigt Seifert sie als zukunftsweisende Möglichkeit, auf den Euro zu reagieren. Wenn nämlich die europäischen Börsen effektiver und produktiver zusammenarbeiten würden, könnten sie zehn Milliarden Euro im Jahr – fast 20 Milliarden Mark – sparen, hat Seifert ausgerechnet. Ulrike Fokken