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Umarmung der Seifenblase

Verschwundene Zwerge und Rhombenikosidodekaeder: Das erste deutsche Mathematik-Museum ist zu Gast in Hamburg  ■ Von Eva Wolfangel

„Ich bin eine Funktion.“ Was klingt wie der Höhepunkt einer tiefen Identitätskrise, ist eine Installation des ersten deutschen „Mathematik-Museums“. Der Mensch als Kurve im Koordinatensystem – „spielerisch“ sollen die BesucherInnen „eine grundsätzlich neue und positive Einstellung zur Mathematik“ gewinnen. Unendliche Vervielfältigung vermittelt ein begehbares Spiegeldreieck, und der Versuch der Seifenblase, eine Minimal-Fläche zu erreichen, während die Betrachterin mittendrin steht, könne so beschrieben werden: „Mich umarmt eine Seifenblase“.

In zwei Jahren soll das Mathematik-Museum in Gießen feste Räume bekommen, momentan bereichert sein Konzept als Rahmenprogramm die Fachtagung „Wie weiter mit dem Mathematik-Unterricht“, die diese Woche in Hamburg stattfindet. So können mehrere hundert MathematiklehrerInnen nach der Klärung wichtiger Fragen wie „Wieviele Termumformungen braucht der Mensch?“, der Suche nach „kreativem Mathematiktreiben“ oder dem Vortrag „Würstchenverkauf – ein besonders schönes Beispiel für offene Aufgaben“, Mathematik „mit Spaß und Spannung erleben“.

Die InitiatorInnen erhoffen sich vom Museum auch „die Änderung der Einstellung der Besucher zur Wissenschaft“. Professor Albrecht Beutelsbacher von der Uni Gießen hat dKonzept in diesem Frühjahr mit einer Gruppe von MitarbeiterInnen entwickelt, nachdem er festgestellt hatte, daß selbst Mathematik-StudentInnen ihr Fach nicht auf „die Welt, in der wir leben“ beziehen können.

Eine Mathematik-Lehrerin versucht, einen Tetraeder (Pyramide) in einem oben offenen durchsichtigen Würfel zu verstauen, verzweifelt zunächst – „Das Ergebnis muß sein: Die Aufgabe stimmt nicht“ –, hat schließlich doch Erfolg und wendet sich stolz „Stella Octangula“ zu – mal sehen, ob dieser achtzackige Stern auch rein paßt. Ein begehbarer „Rhombenikosidodekaeder“ leuchtet bunt aus einer Ecke – das riesige Zelt aus regelmäßigen Drei-, Vier- und Fünfecken hat eine Studienkollegin meisterinnenhaft in ihrem Zwölf-Quadratmeter-Wohnheimzimmer selbst genäht, erzählt Isabell Hetzler, ehemalige Studentin der Uni Gießen und Betreuerin der Ausstellung.

Verwirrung bei Fachleuten und Laien stiftet ein dreiteiliges Holzpuzzle. Vertauscht man zwei Teile, verschwindet einer der 15 aufgemalten Zwerge. Doch welcher? Und wohin? „Diese Fragen darf man nicht stellen“, sagt Beutelsbacher; immerhin: Die 14 Zwerge seien jeweils größer ... Die größte Attraktion für Mathe-LehrerInnen stellen allerdings laut Isabell Hetzler die P-T-Shirts mit den ersten circa 20.000 Stellen von P (zu deusch: Pi) dar: „Da haben sich fast alle eins gekauft, um es bei der Einführung von Pi zu tragen.“

Die spielerische Mathematik ist auch für Laien zu genießen: heute von 8.30 bis 16 Uhr und morgen, 8.30 bis 13 Uhr, im Hamburger Institut für Lehrerfortbildung, Felix-Dahn-Straße 3.

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